LESERINNENBRIEFE
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Das Problem ist ein anderes

■ betr.: „So ist Italien kaum zu retten“, taz vom 12. 7. 11

Selbst auf der Titelseite der taz soll die einzige Lösung für einen überschuldeten Staat sein, weitere Schulden zu machen (Schulden aller EU-Staaten über Eurobonds). Das ist jedoch keine Alternative, sondern ein weiterer Schritt in die falsche Richtung: Wer z. B. im Moment italienische Staatsanleihen kauft, erhält, durch EU-Staatsbürgschaften garantiert, mindestens 6 % Zinsen. Die Geldgeber sind in den meisten Fällen Banken und Versicherungen, die das Geld für momentan 1,5 % Zinsen von der EZB leihen können. Warum verleiht die EZB das Geld nicht direkt an betroffene Länder? Das wäre zwar immer noch keine Alternative, würde aber die zusätzlichen Belastungen enorm verringern.

Das Problem ist aber ein anderes: Niemand würde einem hoffnungslos überschuldeten Menschen empfehlen, noch mehr Schulden zu machen. Was würde zum Beispiel passieren, wenn für überschuldete Staaten Zinsrückzahlungen komplett gestrichen würden und nur die Einlagen zurückgezahlt werden müssten? Jeder Gläubiger würde seine Einlagen komplett zurückerhalten und müsste nur auf seine Zinsen verzichten. In (angeblichen) Zeiten der Not eine durchaus zumutbare „Belastung“ von Banken und Versicherungen. Durch die Entlastung wäre es möglich, einen Haushalt wirklich zu konsolidieren, und neue Schulden wären überhaupt nicht mehr nötig. Sollte die Entlastung immer noch zu gering sein, wäre ein europäischer Solidaritätsfonds eine wirkliche, direkte Hilfe der Länder untereinander, ohne Banken und Versicherungen zusätzliche Gewinne zu verschaffen. Aber wahrscheinlich sind diese Gewinne genau das (gewünschte) Problem. CHRISTIAN HERBERT, Köln

Gefährdete Kinder

■ betr.: „Schrecken der Heime“,taz vom 14. 7. 11

Ja, da tun sich Abgründe auf. Doch bei allem Entsetzen darf nicht vergessen werden: Nirgendwo ist die Gefahr für ein Kind, misshandelt und missbraucht zu werden, größer als in seinem eigenen Heim, seiner Familie. Und nirgendwo ist die Gefahr für die TäterInnen, entdeckt und zur Verantwortung gezogen zu werden, geringer als ebenda. Und das gilt unabhängig von sozialer, religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit.

K. DIERCKS, Hamburg

Nicht so schlimm

betr.: „Endlich wieder oben“,taz vom 15. 7. 11

Na gut, „endlich wieder oben“ ist nicht so schlimm wie: „Das Robbensterben geht weiter“ und „Panik in Bonn: Strauß-Grab leer“ von der Satirezeitschrift Titanic zum Tod von FJS. Aber eine Nichtsatirezeitung wie die taz sollte schon mehr an die Angehörigen denken als die Titanic, die von der Politprominenz ja selten gelesen wird. Andererseits musste auch ich lachen und anerkennend feststellen, dass das Wortspiel gar nicht mal so schlecht ist. HANNES KÜPER, Werne

Kostenneutrale Weiterbildung

■ betr.: „Facharzt für lau“, taz vom 13. 7. 11

Interessant, wie in diesem Artikel das Ausbeuten von ausländischen Ärzten beschrieben wird. Wie wäre es, mal einen Artikel über die gängige Praxis von vor zehn Jahren zu schreiben, wo man als frisch approbierter Arzt, der an einer deutschen Hochschule sein Studium absolvierte, kostenneutrale Weiterbildung zum Facharzt erlebt. Natürlich war dies zum Wohl von Krankenkassen, Arbeitgeber und für das Ego des Chefs. Sprich, man durfte zum Beispiel für eine halbe Stelle voll arbeiten, oder man durfte lange unbezahlte Praktika machen, oder ein Chefarzt fragte nach einer Spende, um die Möglichkeit zu schaffen, in seiner Abteilung eine unentgeltliche Zeit für den lang ersehnten Teil des Facharztkatalogs zu verbringen. Also, es gibt alte Muster, die durch Ärztemangel und „Ärztegewerkschaft“ beendet wurden. Diese genannten Erlebnisse waren früher nur häufiger als bei den paar Gastärzten. GEORG WILDERMANN, Frauenarzt, St. Augustin

Besser die Gegenspieler ehren

■ betr.: „Quadriga ist nichts für Menschenrechtler“, taz vom 15. 7. 11

Gut, dass der Quadriga die Luft aus den eisernen Reifen – betreffs Putin als ausgegucktem Preisträger – entweicht. Sollten sie doch besser dessen Gegenspieler, Michail Chodrokowski, ehren. Auch er hat „Aufbruch, Pioniergeist und Erneuerung“ gelebt und würde es gerne immer noch tun. Es wäre zwar naiv, die undurchsichtigen Methoden zu beschönigen, mit denen er sein Jukos-Imperium zusammengebastelt hat. Aber er hat sich unter Lebensgefahr auch für eine „offene Gesellschaft“ in Russland eingesetzt. Und er hat die in der der Sowjetunion übliche Ölverseuchung ganzer Landschaften (wie sie z. B. im Museum des Erdöl-Instituts in Tjumen dokumentiert ist) in eine saubere Exploration umgewandelt. Eine seiner letzten Investitionen war es, in der Gegend von Tomsk das bisher abgefackelte Gas aufzufangen und zur Stromerzeugung für die Maschinerie zu verwenden, obwohl ein Dieselaggregat wesentlich einfacher und billiger gewesen wäre. Dies als Beispiel, wie man mit dem meist immer noch abgefackelten Gas umgehen kann, wenn die Maximierung des Profits nicht die einzige Richtschnur ist. MANFRED WESTERMAYER, Gundelfingen