„Wir sind auf dem Weg der Besserung“

AUFRAPPELN Mit dem Schul-Volksentscheid verlor die CDU vor einem Jahr auch ihr Aushängeschild, Ole von Beust. taz-Gespräch mit Parteichef Marcus Weinberg über den Stand der Dinge bei der Hamburger Union

■ 44, ist Lehrer, Vater, ledig und seit 1989 Mitglied der CDU. Der ehemalige Zeitsoldat sitzt seit 2005 für den Wahlkreis Altona im Deutschen Bundestag. Foto: dpa

INTERVIEW SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Herr Weinberg, wie geht es der Hamburger CDU nach einem Jahr ohne Ole von Beust?

Marcus Weinberg: Wir sind auf dem Weg der Besserung nach all den Irrungen und Wirrungen und der Niederlage bei der Bürgerschaftswahl. Wir sind jetzt zunächst dabei, intern die Prozesse für eine Veränderung zu organisieren.

Seit einem Monat sind Sie Parteichef, gekürt von der Basis. Verschafft das eine besondere Legitimität?

Eine Mitgliederbefragung erhöht immer auch die Legitimität des Gewählten. Nach den Tiefen des vergangenen Jahres war dieser Prozess notwendig, um Vertrauen für den Vorsitzenden zu schaffen.

Wollen Sie Ihrer schärfsten Kritikerin und Konkurrentin, Karin Prien, einen Platz als Stellvertreterin anbieten?

Frau Prien ist als Mitglied im Landesvorstand und wirtschaftpolitische Sprecherin der Fraktion bereits an der Spitze eingebunden. Als Parteivorsitzender werde ich aber weiter bestrebt sein, alle Personen und Positionen zu integrieren.

Sie haben eine Programm- und eine Zukunftskommission eingesetzt. Der Volksmund sagt, wer nicht weiter weiß, gründet einen Arbeitskreis – Sie gründen gleich zwei. Sind Sie ratlos?

Nein. Ich halte es nur für notwendig, dass wir uns die erforderliche Zeit nehmen, um zu klären, wie wir uns inhaltlich und strategisch aufstellen. Das soll offen und transparent erfolgen, sodass unsere Mitglieder und Wähler mitgenommen werden können. Das dauert seine Zeit.

Sie haben angekündigt, zwei Mal im Jahr Mitgliederforen für die parteiinterne Debatte abzuhalten. Verordnen Sie Streitkultur von oben?

Es ist richtig, dass die Parteiführung dieses Angebot den Mitgliedern macht. Wenn nicht, würden uns zum Beispiel Hamburgs Journalisten kritisieren, dass die da oben Meinungsbildung von unten verhindern wollen.

Das haben wir jahrzehntelang an der Hamburger CDU auszusetzen gehabt.

Eben. Deswegen drehen wir das um. Die Basis fordert die Debatte ein, die Führung schafft die Foren für eine offene und konstruktive Kritik, um die Partei weiterzuentwickeln.

Sie geben die Richtung vor: Die Hamburger CDU soll liberal und konservativ zugleich sein. Wie passt das zusammen?

Sehr gut. Wir können sehr wohl bei einigen Themen – Wirtschaft, Finanzen, Sicherheit – uns an den eher traditionellen Kernkompetenzen festhalten und zugleich auf anderen Feldern Offenheit und Modernität betonen: bei all den neuen Herausforderungen einer modernen Stadtgesellschaft.

Vor einem Jahr haben Sie nicht nur Ole von Beust verloren, sondern auch den Volksentscheid zur Schulreform.

Eine Strukturreform ist für Jahre nicht denkbar. Wir müssen über Inhalte reden. Unsere Aufgabe ist es, die Qualität des Lernens zu verbessern. Wie lernen die Kinder am besten, ist die Frage, die beantwortet werden muss. Nicht, was auf dem Eingangsschild der Schule steht.

Die damalige grüne Schulsenatorin Christa Goetsch behauptet, die CDU sei Schuld an der Niederlage – weil sie unbedingt das Elternwahlrecht kippen wollte.

Das wurde 2008 im schwarz-grünen Koalitionsvertrag so vereinbart. Wir wollten das gemeinsam umsetzen und haben gemeinsam verloren.

Die SPD hat nur angekündigt, ordentlich zu regieren, und schon wurde sie gewählt.

Ordentliches Regieren allein ersetzt keine längerfristigen Konzepte und Perspektiven für unsere Stadt, und die sehe ich bei der SPD nicht. Und das angebliche ordentliche Regieren der SPD endet gerade, wie man an der Spardiskussion im Wissenschaftsbereich sieht. Es beginnt die Entzauberung von Olaf Scholz.

CDU und GAL haben bis vor einem Jahr ordentlich regiert?

Es ist nicht alles gut gelaufen. Es gab aber auch sehr gute Ansätze eines modernen Politikansatzes.

Als alter Fußballer könnten Sie sagen: Die Niederlage bei der Wahl fiel unverdient hoch aus.

Na ja, da waren zumindest ein paar dumme Gegentore dabei.