Der Zauderer

Wie das wohl gewesen wäre, wenn Michael Stich damals als Tennisspieler auf dem Centre Court so schwankend in seinem Handeln gewesen wäre wie jüngst als Funktionär? Man hätte sich das nur einmal bei einem Matchball vorstellen müssen. Vermutlich hätte er den zum Aufschlag hoch geworfenen Ball mit der Hand wieder aufgefangen, aufs Neue eine Überlegung angestellt, wie dem Gegner mit dem Service am besten beizukommen wäre, wieder abgebrochen, abermals eine Taktik ausgetüftelt und ein weiteres Mal aufgrund von Bedenken eine andere Strategie ersonnen. Erneut Abbruch, wieder Ballwurf, und so weiter und so fort.

Hätte es der heute 46-jährige Michael Stich auf diese Weise zu einem eigenen Matchball in einem großen Finale bringen können wie 1991 in Wimbledon gegen Boris Becker? Wäre er als Zauderer zu dem Tennisspieler von solch herausragender Klasse geworden, der er gewesen ist? Beides darf verneint werden.

Als Funktionär gab der gebürtige Pinneberger in den vergangenen Tagen ein unglückliches Bild ab. Da war keine klare Linie zu erkennen. Mal hieß es, er wolle neuer Präsident des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) werden, dann wieder nicht. Dann schien es eindeutig darauf hinauszulaufen, dass er sich für die Mitgliederversammlung gestern in Berlin als Kandidat aufstellen lassen würde.

Am vergangenen Donnerstag gab es den vermeintlich ultimativen Rückzieher: Der Elmshorner, seit Anfang 2009 Direktor des Turniers am Hamburger Rothenbaum, verzichtete auf eine Präsidentschaftskandidatur. Die Begründung: In der Kürze der Zeit sei es ihm nicht möglich, ein komplettes Präsidium zusammenzustellen und mit dessen möglichen Mitgliedern die Sachverhalte und Themen inhaltlich ausreichend zu erörtern. Flugs folgte eine Einschränkung: „Mein Wunsch, etwas zu verändern und die Zukunft des DTB und des deutschen Tennis mit zu gestalten“, so Stich, „ist weiterhin ungebrochen.“

Zum Nachfolger Karl-Georg Altenburgs als Präsident wurde gestern der öffentlich eher weniger bekannte Ulrich Klaus gewählt. Stich, der Ehrgeizige, wird so schnell aber wohl nicht aufgeben. Er bastelt bereits an einem Schattenkabinett. „Die Liebe zum Tennissport“ sei sein Antrieb, sagte er – ließ aber ebenfalls schon wissen, dass er eine angemessene Aufwandsentschädigung für die Aufgaben im Amt des DTB-Präsidenten erwarte.

„Ich habe den Fokus, dass es um eine weitere Entwicklung und Zukunftsfähigkeit des deutschen Tennis geht, nicht aus den Augen verloren“, so Stich. Der frühere Serve-und Volley-Spezialist besitzt auch die Zähigkeit für lange Ballwechsel.  GÖR