zehn jahre taz-geschichte in nordrhein-westfalen - die serie. folge 5: das jahr 2001 – der „metrorapid“
: Als Ministerpräsident Wolfgang Clement ausrastete

„Sind fünf Minuten Zeitersparnis fünf Milliarden Mark wert?“ Ministerpräsident Wolfgang Clement kann die Frage der taz nicht ertragen. Vor der versammelten, auf die Transrapid-Teststrecke ins Emsland gekarrten Landespressekonferenz springt der Sozialdemokrat auf, brüllt herum. Wer so etwas frage, habe rein gar nichts begriffen. Die in „Metrorapid“ umgetaufte Magnetbahn sei das Schlüsselprojekt für NRW, ein „Leuchtturm“, der bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 strahlen soll. Mit 400 Stundenkilometern soll das Ding von Dortmund nach Köln rasen.

Die taz hält dagegen: Viel zu teuer sei das Spielzeug der SPD. Nötig sei keine vereinzelte Hightech-Bahn, sondern eine bessere Vernetzung der bestehenden Verbindungen, die Reaktivierung still gelegter Strecken. Und: Werde der ICE 3 eingesetzt, koste jede Minute Zeitersparnis des „Metrorapids“ 1,2 Milliarden Euro, rechnen Verkehrsexperten vor. Clement kann das nicht ertragen: „Die Berichterstattung erreicht nicht einmal das Niveau von Treppenhausgeschwätz“, lässt er an Chefredakteurin Bascha Mika faxen. Die reagiert professionell – und leitet die Hasstiraden Clements unkommentiert an die Bochumer ruhr-Redaktion weiter.

Die ist inzwischen umgezogen – raus aus der kultigen, aber abseits gelegenen ehemaligen Zeche Hannover, rein in die Innenstadt. Mitten im Bochumer Bermuda-Dreieck kämpft die Redaktion um NRW-Chef Markus Franz gegen chronischen Geldmangel – und hofft auf die tägliche Ausgabe. Denn immer noch erscheint die taz nrw mit ihren lokalen Fenstern in Ruhr, Köln und Münster nur wöchentlich. Dann die Niederlage: Die taz münster muss im Sommer schließen, Redaktionsleiter Franz wird nach Berlin abgezogen. Die taz-Truppe macht trotzdem weiter, berichtet über die neue SPD-Europaministerin Hannelore Kraft wie über die skandalösen Arbeitsbedingungen, unter denen der Essener Schuhhändler Deichmann in Indien produzieren lässt. Wolfgang Clement aber steht erst 2006 wieder für ein Interview zur Verfügung – und trauert prompt seinem „Metrorapid“ hinterher.ANDREAS WYPUTTA