Ein Frühsommer-Idyll

Äußerst harmonisch verläuft die Aussprache über den Koalitionsvertrag auf dem SPD-Unterbezirksparteitag Stadt – und nur ansatzweise bewegt der Fall Nußbaum die Genossen-Gemüter

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Es gibt keinen Streit, keine Missgunst. Kaum einmal ein Windhauch zieht lau durchs Rund. Die Gespräche plätschern und das Sprudelwasser zischt beim Öffnen, während draußen ein erster Sommerregen niedergeht, heftig und kurz. Es soll wohl, davon wird gesprochen, „einen Schlag ins Kontor“ gegeben haben.

Ja doch, dass sich der Finanz- und designierte Wirtschaftssenator am Dienstag vom Acker gemacht hat, weil ihn der Parteichef zum Eintritt gedrängt hat, beschäftigt die Leute, auch hier. Der Name Ulrich Nußbaum fällt. Der von Uwe Beckmeyer wird genannt. Das sei „eine frische Wunde“, sagt jemand, der ans Saalmikrofon getreten ist und von dort nun mühsam gegen das Grundrauschen der Versammlung ankämpft. Da müsse man mitunter auch „Salz hineinstreuen“. Aber für diesmal bleibt’s bei Heilsalbe. Und still ruhet der SPD-Unterbezirksparteitag.

Unterbezirksparteitag. Was für ein Wort! Eines das man, unwillkürlich, mit c schreiben würde, Unterbecirks-Parteitag, weil’s so tief im Urschlamm des Parteibewusstseins gründet – unsexy wie lange Unterhosen. Und so social-demokratisch wie die Anrede „Genossinnen und Genossen“.

Das alles wirkt so nostalgisch rührend, aber: Vorsicht!, hier werden Machtfragen gestellt. Und entschieden. Der SPD-Unterbezirk Bremen Stadt ist der mitgliederstärkste im Land, und wenn der auf Linie gebracht ist, sind böse Überraschungen beim Landesparteitag kaum zu befürchten. Satt wirkt der Unterbezirk, satt und zufrieden. Er wird die Senatoren Willi Lemke und Ingelore Rosenkötter stellen. Die Unterbezirksvorsitzende Carmen Emigholz rückt als Staatsrätin für Kultur ins Rathaus ein. Ihr Stellvertreter Carsten Sieling bleibt Fraktions-Chef. Der Unterbezirksparteitagsvorsitzende Hermann Kleen gilt als des Bürgermeisters wandelnder Mund. „Einen wunderschönen Sommeranfang“ wünscht er den Delegierten und witzelt: Ob jemand „eine Kampfkandidatur für die Mandatsprüfungs- und Zählkommission anmelden“ wolle?, fragt er. Der frohe Scherz, das verhaltene Gelächter. Die Ambitionen sind begrenzt.

Dass Renate Jürgens-Pieper im Unterbezirk ihren Wohnsitz nimmt, scheint klar. Schließlich hat die Bildungssenatorin in spe freie Wahl. Anders als der designierte Wirtschaftssenator Ralf Nagel. Der muss für den neuen Job von Hamburg nach Bremerhaven ziehen: Anerkennendes Raunen. Sage niemand, dass Sozialdemokraten Opferbereitschaft nicht zu würdigen wüssten.

Jürgens-Pieper hat sich mit Verve vorgestellt: „Ich habe fast“, sagt sie, „ein schlechtes Gewissen“ – weil sie doch erst dazugestoßen sei, als der Wahlkampf gelaufen, die Sondierung beendet, der Koalitionsvertrag unterschriftsreif ausgehandelt war. Und herzlich ist ihr Beifall, nicht enthusiastisch, aber herzlich. Und lang: Dass das Amt niemand von der örtlichen Parteibasis bekommt, und dass, um’s bös zu sagen, die langgediente bildungspolitische Sprecherin Ulrike Hövelmann dafür nicht in Frage kam, schmerzt die Basis nicht. Es gibt keine Missgunst.

Und keinen Streit. Auf der Tagesordnung steht: Die Aussprache über den Koalitionsvertrag. Was sich im Bürgerzentrum Neue Vahr ankündigt: Er wird heute, wenn die Gesamtpartei tagt, durchgehen wie ein Skalpell durch warme Butter.

Ja, es gibt Details, die noch einmal erörtert werden sollten. Ein Delegierter aus Oberneuland beispielsweise vermisst das klare Bekenntnis zum Projekt Eisenbahnunterführung. Eine Frau aus Hemelingen trägt, tief bewegt, Bedenken gegen den Passus zur Hansalinie vor. Horn-Lehe weist auf Klärungsbedarf wegen des Rhododendron-Parks hin. Der politische Wille aber ist längst gebildet. Daran wird nicht gerüttelt. Und nicht einmal gekratzt.