Ein Hassspiel mit Tränen

BRONZEMEDAILLE Schweden gewinnt mit krass körperlichem Einsatz die Partie um den dritten Platz mit 2:1 gegen Frankreich – und ist nun Europas bestes Team bei dieser WM

■  Der vierte Platz: Solche Sätze hört Joseph Sepp Blatter nicht allzu oft: „Ich wäre gerne auf die Tribüne gestiegen und hätte dem Fifa-Präsidenten die Hand gedrückt.“ Das durfte Sandrine Soubeyrand, Kapitänin der französischen Nationalmannschaft, aber nicht. Frankreich wurde WM-Vierter. Und dafür gibt es bei diesem Turnier wohl nicht einmal einen warmen Händedruck vom Fifa-Boss. Insofern hatte die Partie um den dritten Platz einen echten Reiz: Wer gewinnt, würde sich nicht wie üble Totalverliererinnen behandeln lassen müssen. Aber das passierte eben der Équipe Tricolore: Keine Urkunde haben sie bekommen, keine Erinnerungsplakette und keinen Blumenstrauß. Nur ein paar förmliche Abschiedsworte von Fifa-Mitarbeiterin Carolina Almiron: „Wir wünschen dem Team eine gute Heimreise.“ Danke auch! So saßen die französischen Spielerinnen auf dem Rasen und sahen von dort zu, wie Sepp Blatter und Steffi Jones, Chefin des Organisationskomitees dieser WM, auf der Tribüne den Schwedinnen die Medaillen für Platz drei um die Hälse hängten. Am Ende haben sie – eher unfreiwillig – doch noch etwas abbekommen vom Jubel in Sinsheim. Als zwei Gaudikanonen bronzenes Lametta auf die schwedischen Siegerinnen schossen, fiel etwas Edelmetallregen auch auf die Verliererinnen aus Frankreich. Et adieu! Vierter sein ist ätzend. (arue)

AUS SINSHEIM ANDREAS RÜTTENAUER

Der erste Jubel über Schwedens dritten Platz bei dieser WM nach dem 2:1-Erfolg gegen Frankreich war noch nicht verhallt, da brandete schon wieder Riesenapplaus auf in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena. Josefine Öqvist rannte kurz nach dem Schlusspfiff aufs Feld und wurde gefeiert, als hätte sie das Spiel allein gewonnen. Dabei durfte sie seit der 68. Minute gar nicht mehr mitmachen. Schiedsrichterin Kari Seitz (USA) hatte die Stürmerin nach einem Tritt gegen Frankreichs linke Außenverteidigerin Sonia Bompastor vom Platz gestellt. Nach einem Zusammenprall hatten sich die beiden am Boden verhakt und strampelten mit den Beinen, so lange, bis Ökvist zutrat. Die Szene zeigte, wie ernst die beiden Mannschaften das Spiel um Platz drei genommen haben und welche Rolle dabei auch das Publikum gespielt hat.

Das sah die Schwedinnen in dieser Szene benachteiligt. Bompastor sah es als Schuldige. Die kleine Außenverteidigerin, eine der besten Spielerinnen des Turniers, wurde nun erbarmungslos ausgepfiffen, spielte verunsichert, und kaum einer ihrer sonst so sicheren Pässe erreichte die gewünschte Spielerin. Das Duell der besten europäischen Mannschaften des Turniers war zu einem Hassduell geworden.

Schon vor dem Platzverweis war es rustikal zugegangen. Die Französinnen verstanden nach dem Schlusspfiff die Welt nicht mehr. Zwei ihrer Spielerinnen, Torhüterin Berangère Sapowizc und Ballstreichlerin Louisa Necib, hatten sich an Knöchel beziehungsweise Knie schwer verletzt. Sie beschwerten sich über die Schiedsrichterin, die ihnen einen Handelfmeter verweigert hat und vor dem 2:1-Siegtreffer durch Marie Hammarström auf Eckball für Schweden entschieden hat, obwohl eine Schwedin den Ball ins Aus befördert hatte. Und sie äußerten Befremden über die Pfiffe des Publikums.

Die beim Publikum in Ungnade gefallene Bompastor lief nach dem Schlusspfiff weinend Richtung Kabine. Dann suchte sie Trost bei ihrem vierjährigen Neffen Tiago, den sie auf den Platz holte, während die Schwedinnen ihre Medaillen umgehängt bekamen. Hinterher sagte sie: „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Und: „Ich habe es einfach nicht verstanden. Man hätte in dieser Szene gar kein Rot zeigen müssen.“ Der sonst so milde französischen Trainer Bruno Bini sah in den Pfiffen einen Angriff auf seine heile Frauenfußballwelt. „Das hat uns verunsichert“ sagte er und stellte klar: „Ich mag es nicht, wenn sich die Zuschauer wie beim Männerfußball benehmen.“ Er möchte so gern, dass seine Spielerinnen bleiben, was sie sind, dass er bleiben kann, was er ist: „21 normale Spielerinnen und ein normaler Trainer“.

„Ich mag’s nicht, wenn sich die Zuschauer wie beim Männerfußball benehmen“

FRANKREICHS TRAINER BRUNO BINI

Die geschlagenen Französinnen blickten beinahe wehmütig zurück. Stürmerin Gaetane Thiney ärgerte sich über die vielen Chancen, die Frankreich auch in diesem Spiel nicht nutzen konnte, und geht nun doch enttäuscht aus diesem Turnier: „Klar haben wir schöne Erinnerungen, an die vollen Stadien und so. Wer weiß, ob wir so etwas noch einmal erleben werden. Aber es fehlt einfach das Ergebnis.“

Für die Schwedinnen war die Kratzbürstigkeit des Spiels kein Thema mehr, nachdem ihr Sieg feststand. Lotta Schelin, die Schweden in der 29. Minute mit 1:0 in Führung gebracht hatte, wollte schier nicht mehr aufhören zu weinen nach der gewonnen Schlacht und tanzte den schwedischen Siegestanz mit feuchten Augen: „Jetzt sind wir die besten Europas!“ Ihr Trainer Thomas Dennerby bezeichnete seine Spielerinnen als „wahre Heldinnen“ und unterstrich damit doch noch einmal den Kampfcharakter des Spiels.

Er blickte bereits in die Zukunft. 2013 findet die EM in Schweden statt. Nach dem dritten Platz seines Teams in Deutschland verspricht er sich nun gesteigertes Interesse für das Turnier.