Kita-Ausbau zu unflexibel

UNGLEICHHEIT Sozialsenatorin Stahmann will den Kita-Ausbau für sozial benachteiligte Kinder vorantreiben. Das Konzept ist jedoch zu unflexibel

„Wir beißen mit unseren Forderungen seit Jahren auf Granit“

CARSTEN SCHLEPPER, LANDESVERBAND EV. TAGESEINRICHTUNGEN FÜR KINDER

Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) hat einen weiteren Kita-Ausbau angekündigt – mit klarem Ziel: Erreicht werden sollen vor allem „zugewanderte Familien“, bei denen die „Bildungsbeteiligung“ in Kindergärten niedrig sei. Laut Stahmann beanspruchen fast 16 Prozent der armen Familien bis zum Schuleintritt der Kinder überhaupt keinen Betreuungsplatz.

„Untersuchungen haben ergeben, dass betroffene Eltern ihre Kinder nicht unbedingt in Einrichtungen in einen anderen Stadtteil bringen“, so Bernd Schneider vom Sozialressort. Deshalb sollen nun ortsnahe Betreuungsangebote geschaffen werden, um Kinder armer Familien in die Einrichtungen zu bekommen und „sozialer Benachteiligung wirksam entgegenzutreten“, wie Stahmann sagt.

Ein Kita-Ausbau ist dabei vor dem Hintergrund steigender Kinderzahlen ohnehin erforderlich: Laut Sozialbehörde gibt es bis 2019 mit 14.000 rund 1.000 Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren mehr.

Dem Bestreben liegt ein Rahmenkonzept mit Prognosen und Elternbefragungen zugrunde, auf das sich die Senatorin vergangenen Samstag auf der Konferenz „Ausbau und Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung von 2015 bis 2020“ bezog. In Zukunft sollen 50 Prozent aller Kinder unter drei und 98 Prozent über drei Jahren in Einrichtungen betreut werden. Derzeit liegen die Zahlen bei 45 und 94 Prozent.

Für Carsten Schlepper vom Landesverband evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder ist es mit mehr Plätzen allein nicht getan: „Darüber hinaus braucht es die kleinräumige und konkrete Planung in den betroffenen Stadtteilen.“ Das Rahmenkonzept sei zwar sinnvoll, aber in der Praxis fehle es an Flexibilität, um tatsächlich arme und erwerbslose Eltern zu erreichen, so Schlepper. Die zentrale Steuerung von Angeboten und Geldern geht demnach an der Bedürfnislage der Eltern vorbei.

Als Beispiel nennt er eine Betreuungseinrichtung in Gröpelingen: Dort fragten erwerbslose Eltern an, ob sie ihr Kind für nur vier statt acht Stunden in die Krippe geben könnten. Eine vierstündige Betreuung in anteiligen Plätzen sieht das Sozialressort jedoch nicht vor. Nimmt die Krippe ein Kind für weniger als acht Stunden auf, sinkt ihr Personalschlüssel. Die Plätze in Gröpelingen besetzten schließlich Kinder von erwerbstätigen Eltern aus einem anderen Stadtteil – zum Nachteil der ohnehin sozial benachteiligten Kinder vor Ort.

„Wir beißen mit unseren Forderungen nach dezentraler Flexibilität schon seit Jahren auf Granit“, so Schlepper. Er setzt sich zusammen mit Elternbeiräten schon länger gegen eine zentrale Steuerung der Verwaltungs und Sozialbehörden ein. Spielraum bei der Ausgestaltung ihrer Angebote hätten die Träger gegenüber den Behördenvorgaben jedoch keinen. Dem Landesverband unterstehen in Bremen 65 Einrichtungen.  GJO