VERLEGER SEIN
: Büchertausch

„Warum hast du so viele Bücher?“, fragt der Mann

Endlich Wochenende. Da klingelt das Telefon. „Ist da Klaus Bittermann?“ Ja, irgendwie schon. „Wohnst du nicht in der Grimmstraße?“ Jetzt, wo ein Unbekannter mich so ankumpelt, gebe ich auch das zu. „Ich wohne ja in der Bergmannstraße, gegenüber von der Post. Kennste ja.“ Schön, denke ich. Es stellt sich heraus, dass der Mann ein Buch aus dem Verlag haben möchte und das auch gleich abholen will. Na gut, denke ich, Türverkauf, dafür kann ich anschließend ins Café gehen. Why the hell also not?

Fünf Minuten später betritt der Mann das Berliner Zimmer, in dem meine Bibliothek untergebracht ist. „Warum hast du so viele Bücher?“, fragt der Mann. „Ich bin Verleger“, sage ich. „Hast du die alle gelesen?“ Auf diese Frage bin ich vorbereitet, weil ich sie mit der Regelmäßigkeit höre, mit der Harry Rowohlt gefragt wird, ob er was mit dem Rowohlt Verlag zu tun hat. Ich sage: „Ja.“ Vielleicht sollte ich wie Harry 5 Euro kassieren, aber praktisch ist das oft gar nicht so leicht umzusetzen. „Kann ich mich mal umsehen?“ Ich komme mir vor wie in „Biedermann und die Brandstifter“. Aber der Mann will nichts abfackeln, er will nur gucken.

Als ich ihm das gewünschte Buch überreiche, gibt er mir eine Brötchentüte. Darin ist auch ein Buch. Von ihm selber gemacht. „Atemgeräusche aus dem Elfenbeinturm“ heißt es. Es ist ein Kunsthandwerksbuch. Ein anderes Buch ist darin übermalt und übercollagiert. Ich blättere darin herum und sage „schön“. Erstens, weil ich finde, man kann nicht einfach sagen: „Was ist das denn für eine Scheiße“, auch wenn man es vielleicht denkt, und zweitens finde ich es tatsächlich schön, weil das ursprüngliche Buch übermalt ist und man es nicht lesen muss. Vielleicht hätte ich es aber nicht sagen sollen, denn als ich abkassieren will, sagt der Mann: „Weißte was, tauschen wir.“ Toll, denke ich, das hat sich jetzt echt gelohnt.

KLAUS BITTERMANN