Die Chaos-Tage sind vorbei

Die SPD übt auf ihrer Landesversammlung Geschlossenheit und kürt Michael Naumann einmütig zum Spitzenkandidaten. Denkzettel für SPD-Mitte-Chef Johannes Kahrs. Liebeswerben um die Grünen

Eine Absage an jede Zusammenarbeit mit der Linkspartei hat am Wochenende SPD–Spitzenkandidat Michael Naumann formuliert: Man könne „nicht mit einer Partei koalieren, deren einziges Ziel es ist, Oskar Lafontaine ein Podium zu verschaffen“.Ver.di-Chef Wolfgang Rose, sicherer SPD-Bürgerschaftskandidat, bemühte wahlarithmetische Gründe. Schaffe die Linke die Fünf–Prozent–Hürde, werde das „dazu beitragen, dass die Politik von Ole von Beust weitergemacht wird“. mac

von Marco Carini

Das P der Hamburger SPD soll nicht weiter für Pleiten, Pech, Pannen und Petersen stehen. Auf ihrer Landesvertreterversammlung in Wilhelmsburg bemühten sich die Genossen, ihre monatelange Dauerkrise endgültig abzuhaken. 99 Prozent der Delegierten wählten Michael Naumann zum Bürgermeisterkandidaten und winkten auch die vom Landesvorstand vorgelegte Landesliste ohne größere Auseinandersetzung durch.

Das Wort des Tages lautete „Geschlossenheit“. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, als Gastredner angereist, mahnte seine Hamburger Parteifreunde, persönliche Eitelkeiten müssten in dem beginnenden Wahlkampf endgültig hinten anstehen. „Die Vorstellung, man könne in der SPD gegeneinander Wahlkampf machen, ist absurd und hat noch nie zum Erfolg geführt“, schrieb Steinbrück den anwesenden Delegierten ins Stammbuch. Spitzenkandidat Naumann blies in seiner 45-minütigen Rede ins selbe Horn: „Die Partei will Geschlossenheit und sie bekommt sie auch.“

Wie dankbar die Delegierten für solche Verheißungen sind, machten sie bei der Kandidatenkür für die Bürgerschaftsliste deutlich. 303 der 306 Delegierten votierten für Naumann als Herausforderer von Ole von Beust. Die folgenden Plätze erhielten Bürgerschaftsvizepräsidentin Barbara Duden und SPD-Fraktionschef Michael Neumann.

Auch alle anderen vom Landesvorstand nominierten Kandidatinnen und Kandidaten überstanden den Wahlmarathon ohne große Blessuren. Dabei erhielten Dorothee Stapelfeld (Listenplatz 4) und Mathias Petersen (Platz 5), die Anfang des Jahres um das Amt des SPD-Spitzenkandidaten gegeneinander kandidiert hatten, die meisten Gegenstimmen. Sie stehen für die überwundene Krise der SPD und verfehlten eine Dreiviertel-Mehrheit mit 74,8 (Petersen) und 71,2 (Stapelfeld) Prozent der abgegebenen Stimmen jeweils knapp.

Einen empfindlichen Dämpfer erhielt der innerparteilich umstrittene Chef der SPD-Mitte, Johannes Kahrs. Nachdem der Parteirechte, dem viele Genossen vorwerfen, die überwundene SPD-Kandidatenkrise mit zahlreichen Intrigen befeuert zu haben, im März auf einem SPD-Parteitag nicht wieder in den Landesvorstand gewählt wurde, entkam er am Samstag nur knapp einem erneuten Abstimmungsdesaster. Gerade mal 50,5 Prozent der Delegierten votierten bei der Nachwahl des Landesvorstandes für Kahrs – und das, obwohl laut SPD-Satzung alle Hamburger Kreischefs in dem Gremium vertreten sein müssen.

Doch mit der Personalie Kahrs mochten sich die Delegierten ebenso wenig aufhalten wie damit, dass der Vorstand die von ihm ausgetüftelte Landesliste in letzter Minute noch hatte korrigieren müssen, weil sie die Frauenquote nicht genügend berücksichtigt hatte (taz berichtete). Stattdessen übten sich die Redner, allen voran Naumann, in der Abrechnung mit dem Senat, Siegesrhetorik und dem Liebeswerben um die Grünen.

„Tarnen, täuschen und neoliberale Traumtänzerei“ zeichne die Regierungsriege unter Ole von Beust aus, sagte der ehemalige Kulturstaatsminister und versprach, die CDU werde am Wahlabend wieder „dort landen, wo sie vier Jahrzehnte lang zum Wohle der Stadt als Dauergast residierte: in der Opposition“. Gleichzeitig machte Naumann deutlich, dass er die Stadt in einem rot-grünen Bündnis führen wolle. Seien Koalitionsverhandlungen notwendig, sei der eindeutige Favorit der SPD die Grün-Alternative Liste (GAL).