LESERINNENBRIEFE
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Gauck und das Schlossgespenst

■ betr.: „Er ist mir unheimlich!“, Das Wahrheit-Interview, taz vom 7. 11. 14

Hab mich köstlich amüsiert! Hat mir so aus dem Herzen gesprochen. Es ist mir nämlich inzwischen ziemlich egal (fast), was der Bundespräsident sagen darf oder nicht oder ob. Er nervt einfach nur mit seiner Selbstgerechtigkeit!

Abgesehen davon fand ich den Artikel einfach eine Superidee. Weil einem schlicht die Worte fehlen, wenn das Fass des Spürens und Empfindens überläuft. Lass dich umarmen, Schlossgespenst!

ILONA HORN, Marburg

Gegenaufklärerisches Statement

■ betr.: „Aufarbeitung. Die Achillesferse der Ökopartei“, taz vom 13. 11. 14

Das „Narrativ von der linken, besseren Republik“ sei durch die „Achillesferse Pädophilie“ nachhaltig beschädigt worden, zitiert Nina Apin Franz Walter. Dieser Satz diskreditiert, absichtlich oder unabsichtlich, jede Vorstellung von einer linken, besseren Gesellschaft; denn man weiß ja nie, was aus „einem guten, progressiven Gesellschaftsverständnis Dunkles sprießen“ könnte …

Meines Erachtens ein gegenaufklärerisches Statement. Das Dunkle, das da hervorkroch und weiterhin kriecht, ist die patriarchale Vorstellung in den Köpfen einer Mehrheit von Männern, dass sie über andere, Frauen, Kinder, schwächere Männer, sexuell verfügen können. Grüne Feministinnen sind schon in den Anfängen der Partei gegen pädosexuelle Strömungen aufgetreten. Allerdings nicht immer erfolgreich. Denn Frauen, die darauf bestanden, dass die bessere, freiheitliche Gesellschaft eine ohne männliche Dominanz sein müsse, galten auch in den achtziger Jahren, genau wie heute, als nervig, zickig und verklemmt. CLAUDIA PINL, Fraktionsmitarbeiterin der Grünen im Bundestag 1986–1990, Köln

Falsche Behauptung

■ betr.: „Zeile für Zeile“, „Es wird unglaublich viel verdunkelt“, taz und taz.de. vom 1. 11. 14

Die Behauptung Hans Prolingheuers, die 1997 in London entdeckte sogenannte Harry-Fischer-Liste mit dem vollständigen Inventar der 1937 in deutschen Museen beschlagnahmten Werke „entarteter“ Kunst sei „in der Berliner Versenkung verschwunden“, ist falsch.

Sie wurde vielmehr zunächst von Andreas Hüneke und dann von der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ an der Freien Universität Berlin erschlossen, mit zahlreichen weiterführenden Informationen versehen und in eine Datenbank überführt. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse sind viele Veröffentlichungen, nicht nur der Forschungsstelle selbst, entstanden, Tagungen wurden veranstaltet und Tagungsbeiträge gehalten. Ausstellungen wurden unterstützt und zum Teil durch die erzielten Erkenntnisse erst ermöglicht. Zahlreiche Institute, Wissenschaftler und Privatpersonen haben kostenlos Auskünfte erhalten. In Magisterarbeiten, Masterarbeiten und Dissertationen wurden und werden Teilbereiche der nationalsozialistischen Kunstpolitik untersucht.

Mehr als die Hälfte der Liste ist in bearbeitetem Zustand mit möglichst genauen Angaben zu Technik, Maßen und Verbleib sowie nach Möglichkeit mit Abbildungen für alle im Internet zugänglich, sodass eine Identifizierung dieser Werke, wenn sie denn auftauchen, tatsächlich möglich ist. Aus der unbearbeiteten Liste erfährt man einen Nachnamen und einen oft willkürlichen Titel, weshalb eine Identifizierung der Werke meist nur bei den berühmtesten Künstlern ohne Weiteres erfolgen kann.

Das x kennzeichnet in der Liste übrigens nicht nur jene rund 5.000 Werke, die laut dem Goebbels’schen Abschlussbericht am 20. März 1939 verbrannt worden sein sollen, sondern auch solche, die zum Beispiel bei Transporten beschädigt oder zerstört wurden, insgesamt – wenn man die Einzelblätter der Mappen zählt – mehr als 7.000 Werke. Bis heute wissen wir von etwa 250 Werken, die trotz dieser Kennzeichnung noch existieren. Auch wenn sich diese Zahl in Zukunft auf 500 oder 800 erhöhen sollte, stellt das noch nicht die Tatsache der Verbrennung infrage.

CHRISTOPH ZUSCHLAG, Heidelberg

Fraktionsdisziplin ist kein Zwang

■ betr: „Wer am Ende helfen darf“, taz vom 14. 11. 14

In Ihrem Artikel heißt es, die Abgeordneten des Bundestages haben „ohne Fraktionszwang“ über die Themen Sterbehilfe und Sterbebegleitung diskutiert. Hierzu ist anzumerken, dass es einen „Fraktionszwang“ im eigentlichen Sinne des Wortes nicht gibt.

Nach Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes sind Abgeordnete zunächst „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“; es handelt sich also um ein freies (und kein imperatives) Mandat.

Freilich gibt es in der parlamentarischen Realität die Erwartung und es ist die Regel, dass ein einzelner Abgeordneter sich den grundsätzlichen Positionen und Linien der Partei oder Fraktion unterordnet und sich auch bei Abstimmungen entsprechend verhält. Dies wird als Fraktionsdisziplin bezeichnet und ist sinnvoll, um eine vertrauensvolle Arbeitsteilung in der Fraktion (man verlässt sich immer auf die Experten seiner Fraktion) und nach außen hin ein geschlossenes Auftreten zu ermöglichen. Permanente Abweichler müssen daher auch mit negativen Konsequenzen rechnen. Daher halten sich Abgeordnete in der Regel an die Fraktionsdisziplin, weswegen es oft den Anschein eines „Fraktionszwangs“ hat. RICHARD SCHMIDT, Halle