Faschist ohne Sühne

Sándor Képíró muss den Rest seiner Tage nicht im Gefängnis verbringen. Ein ungarisches Gericht hat den 97-jährigen Greis am Montag vom Vorwurf freigesprochen, 1942 in Novi Sad im heutigen Serbien ein Massaker angeordnet zu haben. Er selbst hatte immer seine Unschuld beteuert. Zum Prozessauftakt im Mai hatte er angegeben, er sei zwar bei dem tagelangen Massaker der ungarischen Besatzer als hoher Offizier der ungarischen Gendarmerie „in Pflichterfüllung“ anwesend gewesen. Getötet habe er aber niemanden, ja nicht einmal ein Gewehr benutzt. Zum Politikum wurde der Prozess, weil sich die faschistische Jobbik-Partei mittels einer „Nationalen Rechtsstiftung“ der Verteidigung annahm.

Mehr als 1.200 mehrheitlich ungarische Juden und Roma sowie serbische Zivilisten wurden in den klirrend kalten Januartagen 1942 von der ungarischen Gendarmerie zusammengetrieben und erschossen. Die Ermordung von 36 Opfern soll Képíró persönlich angeordnet haben. Képíró wurde dafür noch während des Krieges in Ungarn zu zweimal zehn Jahren verurteilt, aber nach der deutschen Besetzung Ungarns 1944 auf freien Fuß gesetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg tauchte der Jurist und Exoffizier zunächst in Österreich ab und wurde 1946 neuerlich verurteilt: in Abwesenheit zu 14 Jahren. In Jugoslawien erwartete ihn ein Todesurteil. Deswegen schiffte er sich 1948 mit zahlreichen Nazigrößen nach Argentinien ein. Dort verlor sich seine Spur, weil er eine neue Identität annahm und heiratete.

Képíró stand auf der Liste gesuchter Kriegsverbrecher des Wiesenthal-Zentrums in Los Angeles an dritter Stelle. Vor ihm war nur der Ukrainer John Demjanjuk, der jüngst in München zu fünf Jahren verurteilt wurde, und der Österreicher Aribert Heim, von dem ungewiss ist, ob er noch lebt.

Nach fast 50 Jahren in Südamerika kehrte Képíró 1996 nach Ungarn zurück. Zuletzt wohnte er gegenüber einer Synagoge in Budapest, als ihn der Nazijäger Efraim Zuroff, Leiter des Wiesenthal-Zentrums, aufspürte. Im Prozess plädierte Képíró auf geistige Unzurechnungsfähigkeit. Der Freispruch ist noch nicht rechtskräftig. Für Ungarns Rechte ist er aber jetzt schon ein Triumph. RALF LEONHARD