Chemiecocktail im Boden

Der Boden unter einer ehemaligen Wäscherei in der Jarrestraße ist so stark mit giftigen Chemikalien durchsetzt, dass ein Filterbrunnen der Umweltbehörde überlastet wurde

VON GERNOT KNÖDLER

Im Grundwasser unter dem Osterbekkanal breitet sich Gift aus: leicht flüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe (LCKW) und Perchlorethylen (PER) – Hinterlassenschaften einer chemischen Reinigung aus den 60er Jahren. Die Mengen sind so groß, dass sie ein Filterbrunnen der Umweltbehörde, der die Ausbreitung der Gifte verhindern sollte, nicht aufnehmen konnte. „Man hat den Eindruck, die haben das Zeug tanklastzugweise in den Boden gekippt“, sagt die GAL-Bezirksabgeordnete Ulrike Sparr. Alle Fraktionen der Bezirksversammlung Nord fordern, dass der Boden unter der ehemaligen Wäscherei saniert werden müsse, um die Giftquelle zum versiegen zu bringen. Dafür müsste das denkmalgeschützte Gebäude in der Jarrestrasse abgerissen werden. Ein Möbelhaus, das sich nach der früheren Nutzung benannt hat, müsste ausziehen.

Ehemalige Wäschereien, Tankstellen, Gaswerke und Raffinerien haben in der ganzen Stadt Altlasten hinterlassen, die die Behörden noch auf Jahre hinaus beschäftigen werden. Allein knapp 2.150 altlastenverdächtige Grundstücke in städtischem Besitz hat die Umweltbehörde registriert. Dazu kommen knapp 2.600 private Flächen. Knapp 2.000 Grundstücke erwiesen sich als unbelastet, 550 wurden saniert. 700 vor allem private Flächen müssen noch untersucht werden. Bei 900 Grundstücken, etwa der Wäscherei, müsste der Boden für eine neue Nutzung gereinigt werden.

Die Gefahren, die von solchen Grundstücken ausgehen, glaubt die Umweltbehörde durch Messen und Filtern unter Kontrolle halten zu können. Die Chemikalien der Wäscherei breiten sich im Grundwasser jährlich nur um zehn bis 20 Meter aus. 15 Beobachtungsbrunnen sollen ein schnelles Reagieren ermöglichen, falls sich das Gift plötzlich in eine unerwartete Richtung bewegt. In die Fließrichtung setzte die Behörde einen Brunnen mit Filter, der die LCKW und das PER aus dem Wasser fischen sollte.

Ein ähnliches Verfahren wird an vielen Orten der Stadt angewandt. Im Fall der Wäscherei scheiterte es an den Mengen: 224 Kilogramm LCKW schwappten 2003 auf den Filter zu – und eine riesige Menge daran vorbei. Nach wenigen Monaten fiel der Filter aus. Seitdem sucht die Behörde nach einer Lösung. 2009 solle das neue System gestartet werden. Das reiche, denn das Trinkwasser sei auf Jahrzehnte hinaus nicht gefährdet.

Der GAL-Abgeordneten Sparr geht das viel zu langsam: „Das muss einfach weiter hochrutschen auf der Prioritätenliste der Umweltbehörde.“ Der Chemiecocktail sei so gefährlich, dass Filtern und Überwachen nicht ausreichten, sagt ihr SPD-Kollege Thomas Domres. Und „es reicht nicht, dass man einen Giftquelle zuklebt“, sagt Domres.

Die Behörde und das Bezirksamt versichern demgegenüber, wegen der Bebauung bleibe das Gift unter der Erde. Nur in einem Raum der ehemaligen Wäscherei seien erhöhte Giftkonzentrationen gemessen worden, sagt Dumann. Die Behörde habe deshalb verlangt, es müsse regelmäßig gelüftet werden.