Merkel droht, Steinmeier dealt

AUSSENPOLITIK Steinmeier reist in die Region, um die Ukraine-Krise zu entschärfen. Platzeck will die Annexion der Krim anerkennen

„Ich hoffe, Steinmeier hat die Rückendeckung der Kanzlerin“

OMID NOURIPOUR, GRÜNE

VON DANIEL BAX

BERLIN taz | Der erste Rückschlag ließ nicht lange auf sich warten. Nachdem er am Dienstag in Kiew den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gesprochen hatte, bot der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk Russland „ernsthafte Verhandlungen auf neutralem Gebiet“ an. Doch die Absage folgte prompt: Kiew müsse mit den Aufständischen in der Ostukraine sprechen, nicht mit Russland, erklärte sich Moskau wie gehabt für nicht zuständig.

Nach den harschen Worten, mit denen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem G-20-Gipfel in Australien den russischen Präsidenten Wladimir Putin bedacht hatte, bemüht sich Steinmeier nun vor Ort um eine Entschärfung der Krise. Merkel hatte bei einer Rede in Sydney vor einem „Flächenbrand“ gewarnt und dabei auch Länder wie Georgien, Moldawien und Serbien genannt. Am Dienstag brach Steinmeier früh zu Gesprächen in Kiew auf, schon am Abend wurde er von seinem Amtskollegen Sergei Lawrow in Moskau erwartet. Es ist das erste Treffen in Moskau seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim.

„Dass Frau Merkel der Geduldsfaden reißt, ist emotional verständlich“, sagte Omid Nouripour, der außenpolitische Sprecher der Grünen, der taz. „Der Gesprächsfaden aber darf nicht abreißen. Ich hoffe, dass Steinmeier die Rückendeckung der Kanzlerin hat“, so Nouripour.

Die EU-Außenminister haben am Montag neue Sanktionen gegen prorussische Separatisten beschlossen. Gegen sie sollen Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängt werden. Auf neue Sanktionen gegen Russland, wie es sie seit diesem Sommer gibt, verzichtet die EU aber. Die Bundesregierung setze weiter auf eine Kombination aus Diplomatie, EU-Sanktionen gegen Russland und Hilfe für die Ukraine, erklärte sie am Montag.

Der frühere Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias Platzeck (SPD), überraschte indessen mit dem Vorschlag, der Westen möge sich gegenüber Putin nachgiebiger zeigen und die Annexion der Krim durch Russland hinnehmen. Um sie völkerrechtlich zu legalisieren, seien verschiedene Möglichkeiten denkbar, sagte der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums: „Dazu gehören finanzielle Leistungen und eine Wiederholung des Referendums unter Kontrolle der OSZE.“ Der Passauer Neuen Presse sagte er: „Die Annexion der Krim muss nachträglich völkerrechtlich geregelt werden, so dass sie für alle hinnehmbar ist.“

Platzeck zeigte sich auch pessimistisch, was die von prorussischen Separatisten kontrollierten Regionen in der Ostukraine betrifft. „Es ist momentan kaum vorstellbar, dass Donezk und Lugansk nach allem, was passiert ist, einfach wieder in den ukrainischen Staatsverband zurückkehren“, meinte der frühere SPD-Vorsitzende. Aber: „Der Klügere gibt auch mal nach“, befand Platzeck salopp.

Damit übertrifft er an Verständnis für Putin sogar die Linkspartei. Die findet die Sanktionen des Westens gegen Russland zwar auch falsch, wie Wolfgang Gehrcke, ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender, am Dienstag bekräftigte. Die Annexion der Krim betrachtet aber auch die Linke als völkerrechtswidrig. Der ehemalige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses und Außenpolitikexperte der CDU, Ruprecht Pohlenz, frotzelte deshalb: „Wenn man schon beim Anerkennen ist: Vielleicht kann Platzeck ja deutscher Botschafter in Abchasien oder Transnistrien werden.“

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