Unternehmen auf Kuschelkurs

Trotz getrennter Wege in der Politik: Unternehmen in Berlin und Brandenburg arbeiten enger denn je zusammen. Wirtschaftsminister Junghanns (CDU) sieht für gemeinsame Wirtschaftspolitik keine Alternative zur Länderfusion

Für Peter Stäblein sind Berlin und Brandenburg längst ein Ganzes: „In Brandenburg wohne ich und lasse mir die Haare schneiden. In Berlin arbeite ich und hole meine Sachen aus der Reinigung.“ Auch beruflich denkt der Geschäftsführer der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft (Behala) großräumig. Das Unternehmen mit Sitz in Berlin ist seit einem Jahr Mitglied im Logistiknetzwerk Berlin-Brandenburg. Das organisiert gemeinsame Messeauftritte, auch Aufträge versucht man vereint an Land zu ziehen. Wenn er im Hamburger Hafen als Vertreter des Logistiknetzwerks auftrete, täten sich ganz andere Türen auf, als wenn er sich als Behala-Geschäftsführer vorstelle, erläutert Stäblein den Nutzen der Kooperation.

Wirtschaftlich sind Berlin und Brandenburg in den letzten zehn Jahren stärker zusammengewachsen, als die Politik wahrhaben will, zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW), die es gestern mit der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft und dem Brandenburger Wirtschaftsministerium vorstellte. 80 Prozent der Unternehmen unterhalten Wirtschaftsbeziehungen zum Nachbarn, ein Drittel kooperiert intensiv. „Die Landesgrenze wird von den Unternehmen nicht mehr wahrgenommen“, meint Studienleiter Alexander Eickelpasch vom DIW. Das Institut befragte über 330 Firmen, die in den sogenannten Zukunftsbranchen, darunter Verkehr, Biotechnologie und Medien, aktiv sind.

Für Ulrich Junghanns (CDU), den Brandenburger Wirtschaftsminister, zeigen die Daten: „Wenn man eine Wirtschaftspolitik aus einem Guss machen will, gibt es zur Länderfusion keine Alternative.“ Ein wichtiger Schritt dorthin könnte die Fusion der beiden Institutionen zur Wirtschaftsförderung sein – der Zukunftsagentur Brandenburg und Berlin Partner. Wichtig ist für den Brandenburger, dass sich Berlin und Brandenburg als gemeinsame Metropolenregion darstellen und „aus der „Bedürftigkeitsaura herauskommen“.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) erklärte, dass sich Berlin als größte Stadt in Brandenburg verstehen sollte. Für eine gemeinsame Wirtschaftsförderung sieht er derzeit dennoch keine Notwendigkeit. Hat doch sein Chef persönlich, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), die geplante Zusammenlegung der Wirtschaftsförderinstitute im März vereitelt. Zuvor hatte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) das Projekt Länderehe für gescheitert erklärt.

Die Wirtschaftsminister wollen sich die Einheitslaune nicht verderben lassen: Immerhin arbeiteten ihre Förderinstitute nicht gegeneinander. Für Jungunternehmer Axel Höhling tut sich dennoch eine Kluft auf. Vor drei Jahren gründete er die Firma Sonex, die aus eiweißhaltigen Abfällen Wertstoffe entwickelt. Ihm schwebt ein Zweikomponentenklebstoff vor, eine Komponente liefert sein Unternehmen aus Adlershof, die andere ein Partner in Brandenburg. Aber die Kooperation stockt mangels Fördergeldern. Die Zukunftsagentur und die Berlin Partner fühlten sich nur für „ihre“ Unternehmen zuständig. „Wer Berlin und Brandenburg weiter als zwei Wirtschaftsräume wahrnimmt, begeht ein Verbrechen.“ ANNA LEHMANN