Japans Appetit auf Wale

TIERSCHUTZ Trotz Verbot will Japan wieder Wale in der Antarktis jagen – angeblich nur für die Forschung. Das Fanggebiet soll größer werden. Das macht es für Gegner schwerer

In Wirklichkeit will Japan mehr Wale fangen als in den Jahren zuvor

VON REINHARD WOLFF

STOCKHOLM taz | Paul Watson und seine Walschutzorganisation Sea Shepherd können sich auf neue Auseinandersetzungen mit japanischen Walfängern vorbereiten. Am Dienstag kündigte die Regierung in Tokio an, dass das Land seinen umstrittenen „Forschungswalfang“ in den Gewässern vor der Antarktis Ende 2015 wieder aufnehmen will. Der Internationale Gerichtshof (ICJ) in Den Haag hatte diesen Fang erst im März gestoppt. Die Begründung: Er sei nur ein Deckmantel – tatsächlich gehe es um kommerziellen und damit verbotenen Walfang.

Nun hat Japan ein neues „wissenschaftliches“ Programm vorgelegt, es nennt sich „Newrep-A“. Auf den ersten Blick werden darin Einwände des Gerichtshofs berücksichtigt. So soll das Programm nun von vornherein auf zwölf Jahre beschränkt sein, die Fangquote wird auf 333 Tiere begrenzt. Bisher lag sie bei 900. Außerdem sollen ausschließlich Zwergwale gejagt werden. Der Fang der im Bestand gefährdeten Buckel- und Finnwale wird offiziell aufgegeben.

Die japanischen Walfänger haben allerdings schon seit Jahren überhaupt keinen Buckelwal mehr und nur vereinzelte Finnwale getötet. Der Knackpunkt: Die neue Quote von 333 Zwergwalen bedeutet in Wirklichkeit eine Ausweitung gegenüber dem Fang der vergangenen Jahre. Denn in der Saison 2012 bis 2013 wurden 104 Zwergwale harpuniert, in der 2013 bis 2014 waren es 251.

Japan will darüber hinaus das Fanggebiet vor der Antarktis ausweiten. Jagten die Walfänger in den letzten Jahren vorwiegend südlich von Australien und Neuseeland, soll sich die neue Zone über zwei Drittel des Meeresgebiets vor der antarktischen Küste erstrecken und vom Südatlantik bis in den südöstlichen Pazifik reichen. Der vermutlich durchaus beabsichtigte Effekt: Walschützer, die in den vergangenen Jahren die Jagd recht erfolgreich behinderten, müssen ein viel größeres Gebiet überwachen. Das erschwert ihre Aktionen.

Neu sei an Japans „Newrep-A“-Programm „gar nichts“, urteilt Darren Kindleysides, Direktor der australischen Meeresschutzorganisation AMCS: „Der gleiche pseudowissenschaftliche Vorwand, mit dem man das internationale Walfangverbot unterlaufen will, um an Walfleisch zu kommen.“ Der Internationale Gerichtshof habe Tokio vorgeworfen, nicht nachzuweisen, dass die Tötung wissenschaftliche Erkenntnisse bringt, die nicht auch sonst zu erreichen seien. Darauf gehe die japanische Regierung aber nicht ein.

Michael Johnson, Australiens Kommissar bei der Internationalen Walfangkommission IWC, sieht das genauso: „Egal wie es Japan drehen und wenden will: Es ist keine Forschung ersichtlich, die voraussetzt, diese Tiere erst einmal zu töten.“ Im „Newrep-A“-Entwurf steht, man benötige „Stichproben getöteter Wale“, um an „belastbare wissenschaftliche Ergebnisse“ zu kommen – eine wirkliche Begründung lassen die Autoren aber vermissen. Die Erwartung des japanischen Fischereiministers Koya Nishikawa, „mit diesem neuen Plan Verständnis bei anderen Nationen gewinnen zu können“, dürfte sich deshalb kaum erfüllen.

10.693 Zwergwale sind unter den bisherigen „Forschungsprogrammen“ getötet worden, ohne dass Japan nach Meinung des Internationalen Gerichtshofs substanzielle wissenschaftliche Ergebnisse vorlegen konnte. Tokio hat für sein neues Programm jetzt den nötigen Antrag beim IWC gestellt. In der Vergangenheit hat dieses Gremium solche Programme durchgewunken. „Ich hoffe, dass Newrep-A jetzt dort gekippt wird“, sagt Patrick Ramage, der Walfangprogrammdirektor beim internationalen Tierschutzfonds IFAW ist. Er meint: „Es ist Zeit für Japan, das veraltete, grausame und unwissenschaftliche Töten von Walen aufzugeben.“