Liebling Hauptschule

Baden-Württembergs Regierung will um jeden Preis die Hauptschulen retten. Lehrer und Handwerker schimpfen

BERLIN taz ■ Das baden-württembergische Kabinett hat am Dienstag ein Gesamtpaket verabschiedet, mit dem die Hauptschulen stärker gefördert werden sollen. „Wir glauben an die Zukunft der Hauptschulen. Deshalb stärken wir ihre Arbeitsmöglichkeiten“, erklärten der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) und sein Kultusminister Helmut Rau (CDU).

Um das Hauptschulförderungsprogramm umzusetzen, will die Landesregierung jährlich 26 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Zusätzlich sollen 305 weitere Hauptschullehrer eingestellt werden, die wiederum von 300 pädagogischen Assistenten unterstützt werden sollen. Im 7. Schuljahr soll mit den Schülern eine sogenannte Kompetenzanalyse vorgenommen werden: Mit Hilfe von Tests soll jeder Schüler sein persönliches Eignungsprofil ermitteln und dieses durch eine schulbegleitende Arbeit in Betrieben weiterentwickeln können.

Vor allem die Einstellung pädagogischer Assistenten stößt auf breite Kritik. „Ausgebildete Lehrer werden mit Billigtarifen in die Schulen geholt“, sagte Matthias Schneider von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Stuttgart. Joachim Möhrle, Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstages, bemängelte das Konzept zur Stärkung der Hauptschule als „weitere Selektion derer, die schon selektiert sind“. Das Hauptschulförderungsprogramm bedeute „für einen Teil der Schüler das endgültige Abrutschen in eine Restschule“.

Im Mai schickten fast 100 Rektoren von Grund- und Hauptschulen Kultusminister Rau einen Brief, in dem sie das Ende des dreigliedrigen Schulsystems forderten. Denn anders als Oettinger und Rau glauben die Pädagogen nicht an die Zukunft der Hauptschule. Denn diese befinde sich in der Hierarchie der Schulabschlüsse ganz unten und eröffne deswegen die geringsten Berufschancen, schrieben die Rektoren.

Auch Rudolf Bosch, Rektor einer Hauptschule und einer der Mitunterzeichner, wirft dem Kultusministers eine soziale Auslese vor. „Was Rau plant, ist eine weitere Selektion der Schüler“, sagte Bosch der taz. Warum der Kultusminister am dreigliedrigen Schulsystem festhält, kann Bosch nicht nachvollziehen. „Alle Studien zeigen, dass längeres gemeinsames Lernen für die Kinder sinnvoller ist.“ Nach kurzer Überlegung schob Bosch hinterher: „Ich kann mir seine Parteipolitik einfach nicht erklären.“ CIGDEM AKYOL