Zehnmal Deutschland zu viel

ZAHLEN Die UNO moniert: Für echten Klimaschutz müssen 10 Milliarden Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Und spätestens 2070 muss überall Schluss sein mit Kohle, Gas und Öl

BERLIN taz | Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit beim globalen Klimaschutz ist riesig: Jedes Jahr stoßen die Kraftwerke, Fabriken und Autos auf der Welt 10 Milliarden Tonnen zu viel Kohlendioxid aus, um den Klimawandel auf 2 Grad zu begrenzen: Also mehr als zehnmal so viel, wie Deutschland insgesamt emittiert. Das ist das Ergebnis des jährlichen „Emissionslücken-Berichts“ (Emission Gap Report) des UN-Umweltprogramms Unep, der am Donnerstag vorgestellt wurde.

„Alle Länder müssen sich deutlich mehr anstrengen“, sagte die Generalsekretärin der UN-Klimabehörde UNFCCC Christiana Figueres in Berlin. „Wir können das 2-Grad-Ziel schaffen, wenn wir schnell genug handeln.“ Es müsse aber klar sein, dass die bisherigen Verpflichtungen zum Klimaschutz „nur die erste Generation von Zusagen“ sein könnten. Die Staaten müssten in Zukunft deutlich strengere Ziele beschließen.

Bis 2020 dürfen nach den Berechnungen von 38 Wissenschaftlern aus 14 Ländern statt wie bisher 54 Milliarden nur noch 44 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen werden. Die Experten haben ausgerechnet, wo die bisherigen Klimaschutzziele die Welt hinführen würden – und sie sind nicht optimistisch. Bis 2030 steigt diese „Emissionslücke“ auf bis zu 17 Milliarden Tonnen. Daran ändern selbst die neuen Ziele der USA und Chinas wenig, die letzte Woche verkündet wurden, hieß es. Figueres und Jochen Flasbarth, Umweltstaatssekretär, zeigten sich trotzdem optimistisch für die kommende Klimakonferenz in Lima und die Verhandlungen bis zur entscheidenden Konferenz 2015 in Paris.

Der jährliche Emission Gap Report verbreitet da weniger Zuversicht. In einem Szenario mit „wenig Fortschritten bei der Umsetzung globaler Emissionsziele könnten die Emissionen bis 2050 auf bis zu 87 Milliarden Tonnen ansteigen“, verkündet der Bericht, „weit über eine sichere Grenze hinaus“. Um die Erderwärmung bis 2100 nicht über 2 Grad eskalieren zu lassen, „müssen die globalen Emissionen bis 2030 um 15 Prozent unter dem heutigen Niveau liegen“, sagte Niklas Höhne vom New Climate Institute, der an dem Bericht mitgeschrieben hat. Der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid müsse dafür zwischen 2055 und 2070 praktisch null erreichen. „Die gute Nachricht“, so Höhne: „Die Hälfte aller Länder fördern inzwischen Erneuerbare und Effizienz. Und die Lücke ist im letzten Jahr nicht größer geworden.“ BERNHARD PÖTTER