Ein Doppelstein ist nie allein

ANIMATION Das Künstlerhaus am Deich zeigt sich mit Egill Sæbjörnsson so verspielt wie selten

„Hey, Pups!“, knarzt der Stein, „sag mal was!“ „Pups“, antwortet sein Nachbar, und schon wissen wir, woher der seinen Namen hat. Er hat ihn von Egill Sæbjörnsson, der seit gestern im Künstlerhaus seine Werke zeigt.

Beseelte Natur, „natura animata“, ist ein uraltes Kunstkonzept. Und wenn Isländer nun Steine bemalen, liegt das nicht an der Verteuerung von Leinwand durch den Finanzcrash – es handelt sich um eine echte „Back to the Rockets“-Bewegung, die nirgendwo genuiner als im Land der Trolle und sprechenden Moosmännchen beginnt.

Felsbrocken Rosalinda findet Feuerstein Joris scharf. Leider hat die letzte Eiszeit sie zwar nebeneinander gelegt, aber ohne Chance auf Berührung. Wie ließe sich das Leid der Unerreichbarkeit, vor dem die Königskinder mit ihrem zu tiefen Wasser wie Waisen wirken, stärker fassen? Sæbjörnssons Steine performen à la Muppets-Show, thematisieren jedoch die großen Dramen des Seins. Zumal Rosalinda und Joris von ständiger Angst geplagt sind, durch eine Lawine endgültig auseinander gerissen zu werden.

Sæbjörnsson hat Mixed Media studiert und macht was draus: Zusammen mit Jeremy Woodruff hat er die nicht nur die Projektionen entwickelt, die die Steine visuell erwecken, sondern auch die Sounds eingesprochen – bis hin zum vielstimmigen Chor, zu dem sich die Steine am Ende einer halbstündigen Interaktion vereinigen. Zuvor wandert der projizierte Lebensfunke durch den Raum, Gesichter verlöschen, um Raum für andernorts hervorsprudelnde Dialoge zu geben. Zum Beispiel zwischen Pancake, einem fiesen flachen Stein, und dessen dünnem Nachbarn, den Pancake rauchen will. „I‘m just a stone!“, wehrt sich Cigaret verzweifelt. Rocky hat derweil ein ganz reales Problem: Er ist vor 3.000 Jahren umgefallen und sucht seither nach jemandem, der ihn wieder aufrichtet.

„The Egg or the Henn, Us or Them“, wie Sæbjörnsson die Schau mit leicht unscharfem Reim nennt, ist nichts für Geologen – dazu sind die Kunststeine den isländischen Lavabrocken zu unähnlich –, aber viel für deren Kinder. Das ist im oft konzept- und kopforientierten Künstlerhaus am Deich durchaus bemerkenswert. Nicht dass sich nicht auch hier ein primär kognitiver Zugang finden ließe: Man könnte von „Konstruktionen der Wirklichkeit“ sprechen und darüber, wie „profane Objekte zu Protagonisten universeller Erzählungen“ werden. Das Künstlerhaus tut das auch. Das Publikum kann trotzdem seinen Spaß haben.

HENNING BLEYL

Bis 10. Oktober