Volk soll Schulstreit richten

Bildungsbündnis plant für Herbst eine Volksinitiative für eine „Schule für alle“, um das Zwei-Säulen-Modell zu verhindern. Unter den Unterstützern ist die ehemalige Schulsenatorin Rosemarie Raab

VON KAIJA KUTTER

Man möge sich doch mit der CDU auf das Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasium und Stadtteilschule einigen und dann das Thema aus dem Wahlkampf raushalten. Dieser Plan einiger SPD-Strategen wurde gestern von einem Bildungsbündnis aus Grünen, GEW und Gewerkschaftern durchkreuzt. Ausgerechnet in der Woche nach den Herbstferien, wenn der Wahlkampf in die Gänge kommt, starten sie eine Volksinitiative für eine „Schule für alle“.

„Wir wollen schon auf die Politik Druck ausüben“, sagte gestern Mitinitiatorin Karin Medrow-Struß vom Hamburger Elternverein. Die SPD müsste sich aber eigentlich freuen. „Das, was sie auf ihrem Parteitag beschlossen hat, die Schule für alle als Fernziel, wollen wir halt schon ein paar Jahre früher.“

„Es gibt kein einziges ernst zu nehmendes pädagogisches Argument für etwas anderes als eine Schule für alle“, ergänzte der GEW-Vorsitzende Klaus Bullan. Es würde nun immer das politische Argument angeführt, dass der Elternwille dem entgegen stünde. Doch mit der früheren Trennung nach Klasse vier in verschiedene Schulformen – im Fall des Zwei-Säulen-Modells in Stadtteilschule und Gymnasien – stünde Deutschland isoliert da. Bullan: „Es gibt in der ganzen OECD nur 17 Länder, die das machen. Davon liegen 16 in Deutschland.“

Das Bündnis will einen Gesetzentwurf zur Abstimmung stellen. Die Volksgesetzgebung sieht dafür drei Etappen vor. Zunächst müssen vom 29. Oktober bis Mitte Januar 10.000 Unterschriften von wahlberechtigten Hamburgern gesammelt werden. Anschließend müssten im Herbst 2008 binnen drei Wochen rund 61.000 Unterschriften für ein „Volksbegehren“ zusammenkommen. Und schließlich würde im Juni oder September 2009 zeitgleich zur Europawahl oder Bundestagswahl der „Volksentscheid“ durchgeführt, dem 242.000 HamburgerInnen zustimmen müssen.

Zu diesem Zeitpunkt ist auch laut Fahrplan der CDU die Zusammenführung von Haupt-, Real- und Gesamtschulen zu neuen „Stadtteilschulen“ geplant. „Wir wollen uns in diese Debatte einmischen“, sagt Bullan. „Der Weg zur Schule für alle ist ein Stück weit der gleiche. Nur würden wir weiter gehen und die Gymnasien mitnehmen.“

„Für uns ist die Volksinitiative kein Risiko, sondern nur eine Chance“, ergänzt die Lehrerin Elke Andresen. „Wenn wir nichts machen, kommt das Zwei-Säulen-Modell. Wenn wir die Volksbefragung durchführen und scheitern, kommt es auch.“ Die frühere Hauptschullehrerin ist für die neue Schule, um „Schaden von der Stadt Hamburg abzuwenden“. Hauptschüler seien „nicht dumm“, aber durch die zweimalige Aussortierung „demotiviert“. Dadurch würden 20 Prozent Risikoschüler produziert, und dringend benötigte Fachkräfte fehlen. In den heterogenen Gruppen einer Gemeinschaftsschule aber würden „Schlaue nicht leiden und Schwache besser klarkommen“.

Auf der Liste der Unterstützer finden sich auch der Dekan der Uni-Fakultät für Erziehungswissenschaften, Karl-Dieter Schuck, Hamburgs frühere Schulsenatorin Rosemarie Raab, die SPD-Abgeordneten Sabine Boeddinghaus und Gerhard Lein und der ehemalige SPD-Landeschef Mathias Petersen. „Wir haben in der SPD beschlossen, dass wir eine Schule für alle wollen“, sagt Petersen zur taz. „Da unterstütze ich es natürlich, wenn die Eltern die Chance bekommen zu sagen, ob sie dies möchten oder nicht.“