berliner szenen Könige des Cool

Schwitzen mit Sonic Youth

Applaus. Frenetisches ohrenbetäubendes Klatschen. Minutenlang. Man schaut in verschwitzte, vor Freude überhitzte Gesichter. Das Licht in der Columbiahalle ist längst angegangen, der DJ spielt schon lange Musik, aber niemand hört sie. 3.500 Menschen klatschen wie im Wahn gegen die Roadies an, die gerade die Instrumente von Sonic Youth von der Bühne räumen.

Die New Yorker Band hat gerade ihr Album „Daydream Nation“ genauso gespielt, wie sie es 1988 aufgenommen haben. Danach haben sie eine Zugabe aus neueren Liedern gespielt. Und nun sind die Füße vergessen, die einem von hinten an den Ohren vorbeischossen, von falschherum stagedivenden Kreuzbergern, die aussahen, als würden sie im 21. Semester studieren und es nicht wahr haben wollen, das Leben. Die Daydream Nation von heute, die mitgealterte.

Thurston Moore blieb bei alldem der König des Cool und ging während eines Liedes seine Brille aus dem Backstagebereich holen. Die 54-jährige Bassistin Kim Gordon tanzte plötzlich armrudernd wie ein Mädchen die Bühne entlang. Und Lee Ranaldo hatte neben sich 24 Kapitel der Geschichte aufgereiht, die hier erzählt wurde: die der Gitarre. Des Riffs, der Wand, des Experiments. Und jener Melodien, die so perfekt die Verlorenheit einer Jugend beschreiben, die im letzten Sommerlicht auf Bordsteinkanten sitzt, Bier trinkt und sich anders fühlt. Es ist nicht nur das begeisternde Konzert, das beklatscht wird. Es ist der Dank für die Begleitung. Durch die Pubertät, die Kleinstadt, die Großstadt, das Leben, das schöne Leid. Am Ende gehen die Lichter doch noch einmal aus, Sonic Youth kommen heraus und spielen noch einmal ein Lied. TIMO FELDHAUS