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: Die Kranken mit den schnellen Beinen

Sie sind krank und gewinnen doch. Die Gesunden radeln hinterher, weil sie keine Medikamente einnehmen dürfen. In dem ungleichen Wettbewerb haben die Gesunden oft keine Chance. Das muss sich ändern.

Etwa 6 Prozent der erwachsenen Europäer leiden an Asthma. Nur mit Hilfe bestimmter Medikamente ist es ihnen möglich, den Alltag ohne Beschwerden zu bewältigen. Eines davon ist Salbutamol. Bei akuter Atemnot als Asthmaspray inhaliert, wirkt es überaus schnell. Viele Asthmatiker wissen das zu schätzen.

Unter den Asthmatikern sind auch etliche Leistungssportler. Unter anderem Alessandro Petacchi, der Sprinter, in dessen Urin während des Giro d’Italia ungewöhnlich viele Rückstände des Medikaments festgestellt wurden. Er behauptet, versehentlich einen Hub mehr als gewöhnlich aus seinem Asthmaspray gesaugt zu haben. Der fünffache Etappensieger des Giro sieht sich nun Dopingverdächtigungen ausgesetzt. Denn Salbutamol steht auf der Liste der unerlaubten Medikamente. Nicht nur weil es die Lunge frei macht, sondern auch weil es stimulierend, in großen Mengen verabreicht gar anabol, also muskelaufbauend wirkt.

Petacchi verweist auf ein Attest, das ihm die Einnahme von Salbutamol erlaube. So eines haben auch viele seiner Kollegen. Jan Ullrich ist ebenso Asthmatiker wie der designierte Sieger der letztjährigen Tour de France, Oscar Perreiro. Im berüchtigten Team Telekom der 90er-Jahre hatten 25 Prozent der Fahrer ein Attest, dass sie als lungenkrank auswies. Ausgestellt von einem gewissen Lothar Heinrich, der seinerzeit von „belastungsindiziertem Asthma“ sprach. Soll heißen: Die Fahrer bekommen Asthma, weil sie Sportler sind; sie werden nicht Sportler, obwohl sie Asthma haben. Auf jeden Fall sind sie krank und dürfen Dopingmittel einnehmen, was dazu führt, dass die Kranken oft schneller sind als die Gesunden.

Die Asthmatiker sollten eine eigene Rennserie bekommen. Vielleicht werden sie ja von der paralympischen Sportbewegung als behinderte Sportler anerkannt. Dann könnten vielleicht wieder mehr gesunde Sportler ganz oben auf den Siegerlisten stehen. ANDREAS RÜTTENAUER