Ein Genre, kein Produkt

VIELFALT Musicals sind nicht nur das, was die großen Konzerne bieten: Es gibt sie überall in allen möglichen Formen

Im Geschäftsmodell der großen Unternehmen „Stage Entertainment“ und „Mehr! Entertainment“ sind Musicals aufwendig produzierte Shows mit hohen Eintrittspreisen in eigens gebauten Theatern, in die in Hamburg zwischen 1.335 und 2.030 Zuschauer passen. Aber das ist nur eine Variante. Tatsächlich gibt es Musicals in vielen Städten, in vielen Theatern und vielen Zusammenhängen. Musical ist ein Genre und keine Produktbezeichnung für die Angebote der Multis. Das droht aufgrund der Marketing-Macht der Großen in Vergessenheit zu geraten.

Da wären beispielsweise die Staats- und Stadttheater, die regelmäßig Musicals in den Spielplan heben. Von sich reden gemacht hat in diesem Jahr das Hamburger Thalia-Theater mit seinem Musical „Charles Manson: Summer of Hate“. Der Versuch, mit einem Stück über einen Massenmörder einen Gegenentwurf zu den Hamburger Feelgood-Musicals zu schaffen, schlug fehl: „Flach“, urteilte die taz, „lau“ die SZ.

Konventioneller läuft es in Kiel, Lübeck und Oldenburg, wo die jeweiligen Stadttheater sich derzeit Klassikern widmen: In Kiel läuft „Kiss me, Kate“, in Lübeck „Im weißen Rößl“ und in Oldenburg gibt’s „Evita“.

Zwischen den weniger opulent ausgestatteten Stadttheater-Musicals und den Materialschlachten der großen Unternehmen gibt es eine Vielzahl von Produktionen kleinerer Privattheater. Auf der Hamburger Reeperbahn ist die „Heiße Ecke“ ein großer Erfolg geworden, am Theater am Aegi in Hannover gibt es „Kröpcke – das Hannover-Musical“. Hinzu kommen jene Musicals, die touren und Abend für Abend eine andere Stadthalle bespielen.

Es gibt anspruchsvolle Musicals wie „The Black Rider“ und Musicals, die schwere Stoffe in eine leichte Form packen. Letzteres passiert ab Februar am Monsun-Theater in Hamburg-Altona: Dort läuft das Karl-Marx-Musical „Comeback!“. In dem Stück versucht ein gescheiterter Banker, Karl Marx in einer spiritistischen Sitzung wieder zum Leben zu erwecken – er will, dass Marx seine Theorien widerruft.

Geschrieben hat das Karl-Marx-Musical unter anderem der Sänger der „Prinzen“, Tobias Künzel, und gespielt wird es in Hamburg vor maximal 120 Zuschauer pro Abend – mehr passen nicht in das Monsun-Theater. Die kleinste Hamburger Bühne von Stage Entertainment, das Tui-Operettenhaus, ist mehr als zehnmal so groß.  KLI