„Wir sollten auf Karlsruhe warten“

Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz will die Entscheidung über Onlinedurchsuchungen vertagen

DIETER WIEFELSPÜTZ, 60, ist ehemaliger Verwaltungsrichter und innenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag

taz: Herr Wiefelspütz, letzte Woche ließ die SPD ein Gespräch mit Innenminister Schäuble platzen, bei dem es um die Einführung von Onlinedurchsuchungen ging. Einen Tag später warnte Schäuble vor verstärkter Terrorgefahr. Will er Druck auf die SPD ausüben?

Dieter Wiefelspütz: Die Terrorwarnung ist durchaus plausibel.

Die Union wirft der SPD sinngemäß vor, eine Gefahr für die Innere Sicherheit zu sein.

Solange die SPD als Sicherheitsrisiko bezeichnet wird, kann man natürlich keine vernünftigen Verhandlungen führen. Deshalb hat das Gespräch letzte Woche auch nicht stattgefunden.

Ist die SPD für oder gegen die heimliche Ausspähung von Computern mit polizeilicher Spionagesoftware?

Die SPD will, dass wir uns für diese äußerst komplexe Frage genügend Zeit nehmen. Es geht schließlich um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff, wenn der Staat am heimischen PC mitlesen kann. Dass ich persönlich die Einführung von Onlinedurchsuchungen bei schwerer Kriminalität befürworte, ist ja bekannt. Aber das muss auch in der Partei gründlich diskutiert werden.

Wie viel Zeit braucht die SPD noch zur Meinungsfindung?

Es geht nicht nur um die SPD. Es macht auch Sinn, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum NRW-Verfassungsschutzgesetz abzuwarten, das die Onlinedurchsuchung erstmals ausdrücklich gesetzlich geregelt hat. Das Urteil, das ich noch dieses Jahr erwarte, wird uns helfen, auch im Bund eine rechtsstaatliche Lösung zu finden.

Die Union will aber nicht so lange warten.

Wer alles auf einmal will, bekommt am Ende gar nichts.

Wie meinen Sie das?

Eigentlich verhandeln wir mit der Union über die Novellierung des BKA-Gesetzes. Weil die Union und Schäuble dem BKA aber unbedingt sofort die Möglichkeit zur Onlinedurchsuchung geben wollen, werden die Verhandlungen sehr schwierig sein. Daran hakt derzeit die BKA-Novelle.

Welche Änderungen sind denn beim Bundeskriminalamt geplant?

Bei der Föderalismusreform im Herbst wurde im Grundgesetz geregelt, dass das Bundeskriminalamt auch präventiv gegen Terrorismus aktiv werden darf. Bisher dürfen das nur die Landespolizeien. Wir müssen jetzt ein Gesetz schaffen, das die neuen präventiven Befugnisse des BKA definiert. Da gibt es genügend Zündstoff, immerhin geht es unter anderem um Telefonüberwachung, großen Lauschangriff und Rasterfahndungen.

Ist die Onlinedurchsuchunge für Schäuble ein Prestigeobjekt?

Ich hoffe nicht. Denn so wichtig ist sie derzeit gar nicht. Es macht viel mehr Sinn, die BKA-Reform zügig abzuschließen und die Onlinedurchsuchung anschließend in Ruhe zu diskutieren.

Gilt das auch für Staatshacking beim Verfassungsschutz?

Ja. Wir sollten die Diskussion über die Onlinedurchsuchung einmal gründlich führen und die Lösung dann ins BKA-Gesetz, in die Strafprozessordnung und ins Verfassungsschutzgesetz einbauen.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH