Lindner, der Held von Ost

Beim Prozessauftakt gegen den ehemaligen Geschäftsführer des Klinikums Ost, Andreas Lindner, bestreitet dieser den Untreuevorwurf und präsentiert sich als Retter des Krankenhauses

von Eiken Bruhn

Er hat stark abgenommen in der Untersuchungshaft, doch sein Selbstbewusstsein hat keinen Schaden genommen. Die Materie sei ja nicht ganz einfach, sagt der Ex-Chef des Klinikums Ost, Andreas Lindner, mehrfach, er wolle deshalb am Montag seine Ausführungen mit Schautafeln unterfüttern. Dann würde sich einiges klären, verspricht er. „Ich arbeite mich Schicht für Schicht an das Thema heran.“ Was gestern klang wie eine geschäftliche Besprechung, war die erste Sitzung im Strafverfahren gegen Lindner. Untreue in 57 Fällen sowie Bestechung in einem Fall wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, ein Schaden von 10.200.000 Euro soll der Klinik entstanden sein. Um sich persönlich zu bereichern, soll Klinikchef Lindner an Firmen, die ihm gehörten, Geld überwiesen haben, ohne angemessene Gegenleistung. Außerdem soll er eine Provision in Höhe von 354.000 Euro dafür kassiert haben, dass er Multimedia-Schränke bestellte im Wert von 5.684.000 Euro – ohne dass diese gebraucht wurden.

Lindner räumte alle Zahlungen ein, behauptete aber, dass diese dem höheren Ziel geschuldet waren, das Klinikum Ost zu retten. Die Multimediaschränke: Sollten Arbeitsabläufe erleichtern und Patientenwünsche befriedigen. Drei bis zwölf Euro hätte die Klinik für die Nutzung von TV und Internet von den Kranken kassieren können. Eine Provision habe er abgelehnt, das Geld sei geflossen, weil er sich der Firma als „Berater“ angeboten habe. Überhaupt die Beratungen: Die Honorare, die er an seine Unternehmensberatungen gezahlt hatte, seien ausschließlich dafür verwendet worden, neue Geschäftsfelder für die Klinik aufzutun. Dasselbe gelte für die Kooperationen mit seiner Krankenhausgesellschaft Siekertal. Lindner präsentierte sich als Retter des Klinikums Ost, das der Chef des Klinikums Mitte, Walter Bremermann, im Einverständnis mit der Gesundheitsbehörde, zerschlagen wollte, um sein eigenes Haus zu retten. Er, Lindner, hingegen wollte nicht, wie von diesen geplant, Betten abbauen und Mitarbeiter entlassen, sondern den Umsatz steigern. Und dazu brauchte es Kooperationen, mussten umfangreiche Beratungen stattfinden, Tageshonorare in Höhe von tausend Euro gezahlt werden, die keineswegs überhöht gewesen seien. Die Mitarbeiter hätten von der Aktivität der Unternehmensberater profitiert, findet Lindner: „Es wurde eine Stimmung erzeugt, die zeigte, dass etwas gemacht wird.“ Dies habe im Gegensatz zu der von Politik und Medien erzeugten Stimmung gestanden, nach der Ost abgewickelt werden sollte.

Lindner, der trotz Nadelstreifenanzug wegen seines runden rosigen Gesichts wesentlich jünger aussieht als 40, argumentierte so ruhig, dass man fast vergessen konnte, wie konfus sein Vortrag war. Immer wieder nannte er Personen, die er im Laufe seines Berufslebens kennengelernt hatte, darunter einen „ehrenamtlichen Focus-Mitarbeiter“, mit dem er vorhatte, eine Blutbank für Muslime aufzubauen. Mit eben diesem, Frank von der Weide-Thiemig, versuchte Lindner dann laut Staatsanwaltschaft noch kurz vor seiner Verhaftung am 3. Januar 2007, mit gefälschten Bilanzen einen Kredit über 500.000 Euro zu bekommen, weswegen die Staatsanwaltschaft ihn kürzlich zusätzlich wegen Kreditbetrugs angeklagt hat – und wegen Konkursverschleppung. Seit 2003 sei Lindners Siekertal GmbH pleite, sagte Staatsanwalt Jörn Hauschild, hierin sehe er auch das Motiv für Lindners Betrügereien.