Spieglein, Spieglein an der Wand…

Die Ausstellung „Fight Lookism“ möchte mit Installationen, Fotos, Street Art, Videos, Collagen, Comics, Zines und Texten eine kritische Auseinandersetzung mit Schönheitsidealen und Körpernormierungen anregen

Endlich Sommer! Der Urlaub ist schon geplant, jetzt steht nur noch der eigene Körper dem Glück im Weg. Bikinifit in zehn Wochen, schaffe ich das? Und was für Klamotten sind dieses Jahr angesagt? Passt nach dem Urlaub mein Laptop noch zur Frisur? Habe ich mit diesen Augenringen überhaupt Chancen auf den Praktikumsplatz?

Ob in den Medien, im Sportverein, bei der Arbeit oder im Freundeskreis: Permanent wird uns vermittelt, wie wir auszusehen haben, wenn wir erfolgreich, sexy, glücklich und schön sein wollen. Die meisten erreichen diese Ideale nie. Der damit einhergehende Stress kennt dabei auch subtilere Ausdrucksformen als Magersucht, Bulimie oder Depression. Fast die Hälfte aller rauchenden Mädchen greift beispielsweise nur wegen der erhofften Verbesserung der Figur zur Zigarette. Aber auch jungen Männern treibt die Sorge um Gewicht, Haut, Haare, Muskeln und Penislänge längst den Schweiß auf die hoffentlich pickelfreie Stirn.

Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren und eine kritische Auseinandersetzung mit Schönheitswahn und Körpernormierungen anzuregen, hat sich das „Projekt-L“ vor einigen Jahren vorgenommen. Ausgangspunkt ist die Überzeugung, dass die bewusst oder unbewusst wahrgenommene „Schönheit“ oder „Hässlichkeit“ eines Menschen kein „natürlicher“ Unfall, sondern eine soziale Konstruktion und damit abhängig vom jeweiligen kulturellen und historischen Kontext ist. Was auch die Erwartungen an andere und sich selbst in Bezug auf Äußerlichkeiten, die permanente soziale Kontrolle, erklärt: Wer gesellschaftliche Schönheitsideale nicht erfüllen kann oder will, wird mit Diskriminierung und Ausgrenzung konfrontiert. Diskutiert wird diese Problematik normativer Bewertung und Diskriminierung eines Menschen aufgrund seiner äußerlichen Erscheinung – Hautfarbe und Geschlecht genauso wie Gewicht, Alter, Körpergröße, sichtbare Behinderungen, aber auch Kleidungsstile oder Gesten – seit den späten 70ern unter dem Stichwort „Lookism“.

Um eine Plattform zu bieten und einen offenen Dialog über den Schönheitswahn und seine Folgen anzuregen, ist auf Initiative von Projekt-L die Ausstellung „Fight Lookism“ entstanden, die im letzten Jahr in Berlin zu sehen war und diesen Monat im Goldenen Salon des Hafenklang-Exils zu Gast ist. Die Gruppe Lookism-Hamburg hat dafür zusätzliche, überwiegend aus Hamburg kommende KünstlerInnen gewinnen können.

Zu sehen ist eine Vielfalt kritisch-künstlerischer Auseinandersetzung: Installationen, Fotos, Street Art, Videos, Collagen, Comics, Zines und Texte. Der Film „bildhübsch und bunt gemalt“ von Marlen Jacob, Janna Joke Janssen und Christiane Wehr beispielsweise zeigt Menschen, die Bilder über ihren eigenen Körper „bauen“. Chris Campe thematisiert Klamotten-Codes und Accessoires in der „queer-künstlerisch-linken Szene“. „copeTHATshit“ wiederum befasst sich in Street Art-Stücken mit übersteigertem Modebewusstsein und Zweigeschlechtlichkeit. Insbesondere Schulklassen und Jugendgruppen wollen die OrganisatorInnen dabei erreichen und bieten gegen Spende Führungen und das Verleihen von Exponaten an.

Im Rahmenprogramm der Ausstellung gibt es zudem Parties, ein Konzert mit „Fink“-Sänger Nils Koppruch, „c.b.a.“ und „LeFly“ sowie eine Filmvorführung im Studio-Kino: Jan Schomburgs sarkastischer Film über den Schönheitsoperationskult – „Innere Werte“ – ist ein „Krimi über radikale Identitätsveränderungen in Jahr 2020“. Katja Albers vom Neuen Berliner Kunstverein zeigt Videokunst zum Thema „Lookism“, bei der Veranstaltung „wider den zweigeschlechtlichen Erkennungsdienst“ von Melanie Groß vom Feministischen Institut bietet sich die Chance, über Attacken, Durchkreuzungen und Verschiebungen desselben zu reden.

ROBERT MATTHIES

Vernissage: Di, 3. 7., 21 Uhr; bis zum 28. 7., Hafenklang-Exil, Große Bergstraße 178; Infos: www.lookism.info