Krümmel wankt – aber fällt nicht

Panne auch in Brunsbüttel. Experten sehen keinen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen. In Hamburg fallen Ampeln und U-Bahnen aus. Umweltminister Gabriel verweist auf das Alter der Atomkraftwerke, mit dem die Störanfälligkeit steige

Das Atomkraftwerk Brunsbüttel ging 1977 ans Netz und gehört damit zu den ältesten in Deutschland. Nach dem Atomkompromiss zwischen Bundesregierung und Energiewirtschaft soll es 2009 abgeschaltet werden. Der Kraftwerksbetreiber Vattenfall versucht jedoch die Betriebszeit zu verlängern. Der Reaktor in Brunsbüttel kann 771 Megawatt Strom produzieren. Die Leistung des 1983 angeschalteten AKW Krümmel wurde 2006 um 75 auf 1.400 Megawatt gesteigert. Ein Bündnis von Atomkraftgegnern hat für den morgigen Sonntag ab 14 Uhr zu einer Demonstration vor dem Atomkraftwerk Krümmel aufgerufen. Sprechen werden Jochen Stay von x-1000mal quer und der SPD Landtagsabgeordnete Uwe Harden. KNÖ

VON GERNOT KNÖDLER

Der Trafo neben dem Atomkraftwerk Krümmel brannte gestern noch immer. Eine Gefahr, dass das Feuer auf das Reaktorgebäude übergreift, bestand nach Angaben des Brandschutzexperten Joachim Klindt vom Germanischen Lloyd nicht. Radioaktivität sei nicht ausgetreten, sagte die schleswig-holsteinische Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD). Zwei Stunden vor dem Brand in Krümmel hatte das AKW Brunsbüttel wegen eines Kurzschlusses abgeschaltet werden müssen. Experten zufolge haben beide Vorfälle nichts miteinander zu tun. Die Abschaltung der beiden Kraftwerke ließ in Hamburg U-Bahnen stoppen und Ampeln ausfallen.

Die Zwischenfälle zeigen nach Einschätzung von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), dass der Atomausstieg aus Sicherheitsgründen notwendig ist. „Je länger ein Kraftwerk läuft, desto höher ist die Störanfälligkeit“, warnte Gabriel in Berlin. Wenige Tage vor dem Energiegipfel zwischen Bundesregierung und Wirtschaft wies er die Forderung der Stromkonzerne nach einem Aufweichen des Atomausstiegs zurück.

Das AKW Brunsbüttel war gegen 13 Uhr wegen eines Kurzschlusses in einer Schaltanlage auf dem Kraftwerksgelände abgestellt worden. Wie der Gutachter Rolf Wieland vom TÜV sagte, entstand im Zuge der Schnellabschaltung an einer Turbine im Maschinenhaus ein Schwelbrand. Öl sei ausgelaufen und habe sich entzündet. Für den Reaktor, der vom Maschinenhaus getrennt ist, habe keine Gefahr bestanden. Es werde daran gearbeitet, dass sich der Vorfall nicht wiederhole. Nach Auskunft des Kraftwerksbetreibers Vattenfall reichte ein Handfeuerlöscher, um den Brand zu ersticken.

Bei der Reaktorabschaltung habe außerdem ein Steuerstab etwas langsamer reagiert als vorgesehen, sagte Wieland. Überdies hätten Abdeckungen an Dampf-Rohrleitungen Risse gezeigt, die wahrscheinlich durch Schwingungen bei der Abschaltung ausgelöst wurden. Dies müsse bewertet werden, bevor die Anlage wieder ans Netz gehen könne. Der Reaktor war nach einer Revision, vergleichbar mit dem TÜV beim Auto, erst am 2. Juni wieder in Betrieb gegangen.

Das AKW Krümmel wurde gegen 15 Uhr abgestellt, nachdem der Trafo Feuer gefangen hatte. Der Trafo ist nach Auskunft von Vattenfall seit 1983 in Betrieb, als das Atomkraftwerk angeschaltet wurde. Trafobrände sind nicht ungewöhnlich. Weil das Isoliermaterial über die Jahre an Qualität verliert, wächst die Gefahr eines Brandes mit dem Alter.

Der Brandschutzexperte Joachim Klindt vom Germanischen Lloyd untersuchte gestern im Schutzanzug das Trafo-Gebäude. „Der Trafo ist aufgeplatzt“, sagte Klindt. Bis zu 80 Kubikmeter Öl könnten dort zur Kühlung vorgehalten werden. Viel davon habe gebrannt. Die Löschanlage habe sich als zu schwach erwiesen. Hier müsse über Konsequenzen nachgedacht werden, sagte Ministerin Trauernicht. Klindt widersprach der Ansicht der Umweltorganisation Greenpeace, wonach sich der Brand in der Trafostation über Kabeltrassen in den Reaktor hätte ausbreiten können: „Die Schottungen haben gehalten wie zu erwarten.“

Nach Angaben Wielands und anderer Experten ist ein Zusammenhang zwischen den beiden Vorfällen in Krümmel und Brunsbüttel unwahrscheinlich. Zum einen lagen zwei Stunden zwischen den beiden Pannen, zum anderen wurde aus dem viel näher an Brunsbüttel gelegenen AKW Brokdorf nichts gemeldet. Dass die Ampeln und U-Bahnen ausfielen, liegt an der empfindlichen Steuerung dieser Systeme. Schon bei einem kurzen Spannungsabfall werden sie aus Sicherheitsgründen neu gestartet.

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