Bau auf, bau auf!

Das DHM zeigt spannende Dokumente zum Thema „Das Berliner Schloss im Film“, will aber leider vor allem Schützenhilfe für den Wiederaufbau leisten

VON UWE RADA

Ein Verb, das im Wortschatz von Hans Ottomeyer nicht fehlen darf, ist „schleifen“. Schon in seinem Aufsatz „Spaziergang durch Preußen“, den er im Internet veröffentlicht hat, beschrieb der Direktor des Deutschen Historischen Museums (DHM) selbiges als Akt der politischen Barbarei: „Es gibt Handlungsmuster, für die unserer Sprache Begriffe fehlen. Dazu gehört das Schleifen der Hauptbauten, der Baudenkmale und Monumente, aus denen der politische Gegner seine Legitimation und seine kulturelle Identität herleitet.“ Während also in der alten Bundesrepublik nur das Braunschweiger Schloss geschleift wurde, so Ottomeyer weiter, „zog die Führung der DDR die Bauten und Denkmale aus Zeiten des Feudalismus für die Untaten des Nationalsozialismus zur Rechenschaft heran“. Der barbarischste Akt dabei laut Ottomeyer: Die Sprengung des Berliner Stadtschlosses am 7. September 1950.

Es ist das Verdienst des Filmarchivs im Bundesarchiv, bislang unbekannte Filmaufnahmen über die Sprengungsarbeiten am Stadtschloss ausfindig gemacht zu haben. Die meisten von ihnen stammen von Kameramännern der Defa-Wochenschau „Der Augenzeuge“. Für den Leiter des Filmarchivs, Karl Griep, gilt es als ausgemacht, dass die Kameramänner die Aufnahmen auf eigene Faust machten. Tatsächlich waren sie zu DDR-Zeiten nie veröffentlicht worden. Selbst der in Westberlin 1953 gedrehte Film „Das Berliner Schloss“ von Leo de Laforgue bediente sich vor allem an Standaufnahmen, um das Vorher und das Nachher des Abrisses zu dokumentieren.

Sowohl das ungeschnittene Material der Defa-Leute wie auch der Dokumentarfilm von de Laforgue sind jetzt am Sonntag im Zeughauskino bei einer Matinee zu sehen, die das Bundesfilmarchiv zusammen mit dem DHM unter dem Titel „Das Berliner Schloss im Film“ veranstaltet. Der Abriss des Preußenschlosses bildet dabei freilich nur den Schlusspunkt einer Reihe von Filmen, die vor allem eines zum Ziel haben: die städtebauliche dominante und baugeschichtliche Bedeutung dieses weltweit wichtigsten Profanbaus des protestantischen Barock in Erinnerung zu rufen.

Wichtigstes filmisches Zeugnis dafür ist ein Kostümfilm, den die Ufa 1942 mit Heinrich George in der Hauptrolle über den preußischen Baumeister Andreas Schlüter gedreht hat. Der nach diesem benannte Film setzt nicht nur den „Michelangelo der Deutschen“ in Szene, sondern auch Kurfürst Friedrich III., der den Ausbau des Stadtschlosses Ende des 17. Jahrhunderts mit Vehemenz und bis hin zum Staatsbankrott vorangetrieben hatte. Höhepunkt des Films ist folgerichtig der Einzug Friedrichs und seiner Entourage nach dessen Krönung zum „König in Preußen“ ins Berliner Schloss 1701. Diese Szene zeigt: Die Geburt Preußens als Königreich fällt zeitlich exakt zusammen mit der Geburtsstunde jenes Baukörpers, den wir bis heute vor Augen haben, wenn wir vom Berliner Stadtschloss reden.

Dass Herbert Maischs Historienschinken von 1942 in die Schlossmatinee aufgenommen wurde, hat aber noch einen anderen Grund. Die filmische Inszenierung des königlichen Triumphzugs zeigt die wohl letzten Innenansichten des Stadtschlosses vor der Zerstörung. In minutenlangen Kameraschwenks wird der berühmte Schlüterhof ebenso ausgeleuchtet wie die Skulpturen des Baumeisters, der nur wenige Jahre später in Ungnade gefallen war. „Schon sehr begeisternd“, lautete der Kommentar von Hans Ottomeyer während der Pressevorführung. Zweifelsohne gehört der DHM-Chef zu den Befürwortern des Schlosswiederaufbaus. Das lässt sich schon in seinem „Spaziergang durch Preußen“ nachlesen: „In Kulturstaaten werden durch Krieg und Barbarei vernichtete und aus politischen Gründen geschleifte Gebäude wieder errichtet. So das Warschauer Stadtschloss oder das Denkmal Heinrichs IV. auf der Pont-Neuf in Paris.“ Fragt sich nur, was ein „Kulturstaat“ ist und was ein aus „politischen Gründen geschleiftes Gebäude“.

Vom Palast der Republik wird allerdings die Schloss-Matinee ebenso wenig handeln wie von der räumlichen Wirkung der künftigen Schlosshofkopie. Immerhin zeigt ein Film im Matineeprogramm, wie unfreiwillig komisch politische Propaganda sein kann. In „Rentier Kulickes Flug zur Front“ von 1918 fliegt ein kriegsmüder Berliner im Traum über zerstörte französische Städte und anschließend zurück über das unzerstörte Berlin mit seinem Stadtschloss in der Mitte. Wie gut, dass der Krieg auf feindlichem Boden stattfindet und nicht in der Heimat, denkt sich Kulicke und zeichnet prompt die Kriegsanleihe, die er vorher noch abgelehnt hatte.

Das Komische daran ist aus heutiger Sicht – neben der slapstickartigen Filmsprache – die dreiste Collage von Zerstörung und heiler Welt, der sich der Weltkriegspropagandafilm bediente. Die Filmmatinee ergänzt – wenn auch unausgesprochen – diese Collage um ein drittes Element: von heiler Welt über die Zerstörung zum Wiederaufbau.

Die Matinee „Das Berliner Schloss im Film“ findet morgen um 11 Uhr im Zeughauskino im DHM statt (Unter den Linden 2). Im Anschluss an die Filme gibt es eine Diskussion mit dem Historiker Laurenz Demps. Eintritt 5 Euro