„Zur Bundesbank? Das wäre eine Alternative“

Kaum ist die Landesbank samt Sparkasse verkauft und der Berliner Haushalt besser in Schuss, denkt SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin laut über einen krönenden Karriereabschluss bei der Bundesbank nach. Davor will er bei der Föderalismuskommission II mit radikalen Umbauvorschlägen aufwarten

INTERVIEW MATTHIAS LOHRE

taz: Herr Sarrazin, wie wäre es mit einem neuen Job – jetzt, wo Sie in Berlin alles erreicht haben? Ich mache Ihnen mal drei Vorschläge.

Erstens: Sie werden Präsident der Weltbank.

Thilo Sarrazin: Ich würde den Internationalen Währungsfonds vorziehen. Da war ich schon mal.

Zweitens: Sie werden Nachfolger Ihres ungeliebten Ex-Chefs Hartmut Mehdorn, als Vorstandsvorsitzender der Bahn AG.

Das würde ich mir jederzeit zutrauen.

Und drittens: Sie gehen, wie von manchen Beobachtern gemutmaßt, 2009 in den Vorstand der Bundesbank.

Das ist auch eine denkbare Alternative.

Jeder dieser Jobs ist doch interessanter als ihr jetziger. Denn seit der Senat wieder Geld zu verteilen hat, stehen nicht mehr Sie im Rampenlicht, sondern Ihre Senatorenkollegen und deren vollmundige Versprechen, für Wissenschaft und Bildung wieder mehr Geld auszugeben. Müssen Sie eine neue Rolle finden – weg vom „Sparsenator“-Image?

Ach nein. Wir können heute ja nur deshalb wieder gezielt etwas Geld einsetzen, weil wir in den vergangenen fünf Jahren die Begehrlichkeiten aller Seiten zähmen konnten.

Und das klappt auch weiterhin?

Meine Methode bleibt dieselbe. Ich versuche immer, mich in die Lage eines Senators hineinzudenken. Dann frage ich mich: Was braucht der Kollege wirklich? Wo könnte er rationeller arbeiten? Ich kann Innensenator Körting ja nicht sagen: Mir reicht das Rechtsniveau Moskaus völlig aus. Sondern ich frage ihn: Brauchen wir wirklich mehr Polizisten als im Stadtstaat Hamburg? Das verhindert eine Menge Streit. Dadurch werden Haushaltsverhandlungen zwar nicht zu einem Fest der Freundschaft und der Liebe. Aber allzuweit waren wir dieses Jahr auch nicht davon weg.

Seit zwei Wochen haben Sie noch eine Sorge weniger. Sie haben die Landesbank inklusive Berliner Sparkasse an den Sparkassenverband verkauft. Fast alle applaudieren, doch manche argwöhnen, der Deal verzögere nur die Zerschlagung der öffentlich-rechtlichen Banken durch die EU. Gibt es die Landesbank noch in fünf Jahren?

Meine Aufgabe war es, die Landesbank zu einem guten Preis zu verkaufen. 2002 bot ich dem Deutschen Spar- und Genossenschaftsverband (DSGV) die damalige Bankgesellschaft für einen symbolischen Euro an – er wollte sie nicht nehmen. Heute bekommen wir insgesamt 5,3 Milliarden Euro. Darauf bin ich stolz. Aber sie ist jetzt nicht mehr unsere Bank. Unserem ehemaligen Eigentum will ich keine guten Ratschläge hinterherrufen.

Aber was, vermuten Sie, bedeutet der Deal für die Zukunft der deutschen Sparkassen?

Erstmals verfügt der Verband der Sparkassen über eine eigene Landesbank. Das könnte das Verhältnis zwischen Landesbanken und Sparkassen stärker verändern, als viele bislang glauben.

Ich meinte eher die Sorge vieler Sparkassen, dass die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes diesen deutschen „Sonderfall“ am liebsten ausmerzen will. Haben Sie Ihr Gespräch mit Frau Kroes vergangene Woche gut überstanden?

Es gab sehr guten holländischen Kaffee, den habe ich gelobt. Ich habe ihr unser Verfahren dargelegt und erläutert, wie es in einem fairen Bieterwettbewerb zu dem bekannten Ergebnis gekommen ist. Es war ein gutes Gespräch, und ich habe nicht den Eindruck, dass die EU-Kommission Einwände gegen unser Vorgehen hat.

Vor eineinhalb Jahren sagten Sie der taz, auf der Großbaustelle der Föderalismusreform, den Finanzströmen zwischen Bund und Ländern, wollten Sie nicht mitarbeiten. Und zwar mit den schönen Worten: „Ach nein. Ich gestalte auch nicht mehr den Nahostkonflikt mit.“

Ich erinnere mich.

Jetzt sorgen Sie mit Vorschlägen für Wirbel, die Bundesländer sollten keine eigenen Steuern mehr erheben, der Bund solle sie mit Geld versorgen. Dagegen wirkt der Nahostkonflikt überschaubar.

Zugegeben: Mit dieser Überlegung stehe ich momentan ziemlich allein, gegenüber dem Gewohnten ist sie recht radikal. Andererseits: Ich bin mir sicher, diese Föderalismusreform wird nicht die letzte sein. Wir werden bis 2019, wenn der Solidarpakt II endet, noch mindestens eine weitere Reform erleben. Deswegen lohnt es sich, beizeiten Ideen einzustreuen und zu schauen, wie sie sich entwickeln.

Sie setzen darauf, dass die Politiker in ein paar Jahren zur Vernunft kommen werden – durch Sie?

Das parteipolitische Gezerre hat unser Steuerrecht ja nicht gerade einfacher gemacht, der Bundestag kämpft oft gegen den Bundesrat. Wenn der Bund allein für die Steuergesetzgebung zuständig wäre, würde das aufhören.

Aber die Länder würden schreien: Das ist das Ende des Föderalismus!

Wir haben ausgerechnet, dass sich für die Länder nach meinem Verteilungsschlüssel finanziell nicht sehr viel ändern würde. Sie bekämen jeweils ähnlich viel Geld wie heute – und würden sich das komplexe System des Länderfinanzausgleichs sparen.

Thema Bundesländer: Ist die lange hinausgeschobene Fusion von Berlin und Brandenburg endgültig vom Tisch? Selbst der Regierende Bürgermeister trommelt nicht mehr dafür.

Warten Sie mal ab. Ministerpräsident Platzeck hat lange argumentiert: Erst muss Berlin seinen Haushalt sanieren, dann können wir uns über eine Fusion unterhalten. Jetzt ist es so: Berlin wird 2008 einen ausgeglichenen Etat vorweisen, Brandenburg erst 2010. Wir haben zwar immer noch mehr Schulden, aber auch mehr Einnahmen. Und bis Anfang 2008 werde ich ein Konzept vorlegen, aus dem ganz klar hervorgeht: Berlins Schulden sind kein Hemmnis für eine Vereinigung.

Was meinen Sie damit?

Warten Sie es ab. Bringen wir erst mal den neuen Doppelhaushalt für 2008 und 2009 unter Dach und Fach.

Sie mögen Sprachbilder. Die Landesbank bezeichneten Sie bei ihrem Verkauf als unvermutet zur „attraktiven Tochter“ gereiftes „ungeratenes Kind“ …

Da wurde ich etwas falsch zitiert. Ein Vater findet seine Tochter schön, nicht attraktiv.

Welches Sprachbild möchten Sie gern hören, wenn Ihre berufliche Laufbahn in vier oder mehr Jahren endet? „Der Lotse geht von Bord“ wie bei Bismarcks Abgang?

Ach nein, beim Lotsen denkt man immer daran, wie es damals weiterging. Ich wäre zufrieden, wenn man sagte: Er hat etwas verändert, und das wird bleiben. Aber bis dahin ist es ja noch eine Weile hin.