„Abbild der Gesellschaft“

Frank Göhre liest aus „Der Auserwählte“

■ 67, schreibt Drehbücher und Krimis, die meist mit Hamburg zu tun haben.  Foto: Pendragon Verlag

taz: Herr Göhre, Ihre Krimis orientieren sich oft an Fakten. Auf welchen Quellen basiert „Der Auserwählte“?

Frank Göhre: Da kommen die Aussagen der ehemaligen Otto Muehl-Kommune zum Einsatz. Otto Muehl hat Anfang der 1970er Jahre die Sekte „Aktionsanalytische Organisation“ gegründet. Mitte der 80er Jahre ist er nach La Gomera gegangen und hat da mit 20, 30 Kommunarden gelebt. Es ging um die Austreibung der bürgerlichen Zwänge und um freie Sexualität.

Sie haben einen La Gomera-Roman geschrieben?

Nein, der Roman spielt an einem Tag in Hamburg und es gibt immer wieder Rückblicke auf La Gomera und auch auf Hamburg in den 70er Jahren. Ich habe den Fall einer Hamburger Unternehmerin konstruiert, deren Tochter auf La Gomera schwanger geworden und bei der Geburt des Kindes gestorben ist.

Was macht einen guten Krimi aus?

Ein Krimi ist gut, wenn er viel von der Realität erzählt, in der er spielt. Für mich ist ein guter Krimi eigentlich ein Gesellschaftsroman. Ein gutes Abbild der Gesellschaft, das seine Spannung daraus bezieht, dass Menschen atmosphärisch dicht wiedergegeben werden.

Was kann man in „Der Auserwählte“ über unsere Gesellschaft lernen?

Die Geschichte deckt drei Jahrzehnte Entwicklung von Leuten ab, die immer vermieden haben, sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Es geht um das Nicht-Wahrhaben wollen der eigenen Geschichte. Ein Stück einer Person hängt aber immer in ihrer Vergangenheit. Man muss sich dem stellen und sehen, was man sich von der Vergangenheit erhalten hat und was verlustig gegangen ist. INTERVIEW: KLI

Lesung: 20.30 Uhr, Kaffeerösterei Speicherstadt , Kehrwieder 5