Brandgefährlicher Sparkurs

Nachdem die Brandstiftungen von Lurup ein Todesopfer gefordert haben, warnen Feuerwehr-Insider davor, die Präsenz der Löscher nachts auszudünnen. Behörde plant weniger Personal auf Löschzügen

Das Schichtmodell für die Feuerwehr sieht 12-Stunden-Wechselschichten vor: Tagschicht von 7 bis 19, Nachtschicht von 19 bis 7 Uhr. Gearbeitet wird theoretisch nach der Formel: „zwei Tagschichten, zwei Nachtschichten, zweimal frei“. Tatsächlich kommt es jedoch vor, dass durch An- und Abfahrt keine 12 Stunden Ruhezeit bleiben und die Wochenenden aus maximal 36 Stunden arbeitsfreier Zeit bestehen.  KVA

VON KAI VON APPEN

Die Feuerteufel von Lurup sind offenbar gefasst: Einen Monat nach den Brandstiftungen, die ein Todesopfer forderten, hat die Polizei am Sonnabend zwei Tatverdächtige festgenommen. Die 17- und 18-Jährigen sollen in der Nacht zum 26. Mai vier Kleinfeuer gelegt haben. Damals waren zwei Motorroller, ein Motorrad und ein Dachlift in Flammen aufgegangen. Von dem brennenden Motorrad griff das Feuer auf ein Haus über. Beim Sprung aus dem Fenster erlitt eine 58 Jahre alte Frau so schwere Verletzungen, dass sie später in der Klinik starb. Der 18-Jährige bestreitet die Tat, der Jüngere hat gestanden, dabei gewesen zu sein.

Neu entfacht haben die Feuerteufel von Lurup nun auch die schwelende Debatte um das neue Arbeitszeitmodell bei Hamburgs Feuerwehr. So soll nach taz-Informationen die für die Region zuständige Feuerwache Osdorf bei Ausbruch des Feuers mit „Menschenleben in Gefahr“ personell derart ausgedünnt gewesen sein, dass Löschfahrzeuge aus Altona und Stellingen sowie später noch zwei Freiwillige Feuerwehren anrücken mussten. Demnach war das eine Löschfahrzeug der Feuerwache Osdorf zur Alarmzeit in einem Einsatz für eine technischen Hilfeleistung gebunden. Das zweite Löschfahrzeug in Osdorf indes sei aufgrund der neuen Arbeitszeitordnung nachts grundsätzlich nicht mehr besetzt.

Peter Braun, Sprecher der Hamburger Feuerwehr, bestreitet auf taz-Anfrage jeden Personalengpass. „Wer so etwas sagt, erzählt bewusst dummes Zeug“, so Braun gestern. „Die Feuerwehr hat zeitnahe Hilfe in ausreichender Personalstärke geleistet“ – obwohl man es in jener Nacht nahezu zeitgleich mit vier Bränden in der Region zu tun gehabt habe. Da sei es durchaus üblich, dass Löschzüge anderer Wachen hinzugezogen werden müssen. Das habe nichts mit dem neuen Schichtmodell zu tun, so Braun. „Die Einzigen, die davon benachteiligt sind, sind die Feuerwehrleute selbst“, sagt er: „Die haben es jetzt mit einer Arbeitsverdichtung zu tun.“ Wenn nachts weniger Leute arbeiteten, müssten diese öfter „ausrücken“, um auszuhelfen.

Kritiker des neuen Arbeitszeitmodells sehen derweil den Fehler im System. „Das kann jederzeit in einem anderen Stadtteil wieder geschehen“, sagt ein Insider zur taz. So seien auch in Sasel, Bergedorf, Finkenwerder oder Süderelbe die zweiten Löschfahrzeuge des jeweiligen Zuges nachts nicht mehr besetzt.

Seit 1. März müssen die knapp 1.800 staatlichen Löscher in 12-Stunden-Schichten arbeiten (siehe Kasten). Offenbar als Konsequenz eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), wonach Arbeitszeiten von mehr als 48 Stunden pro Woche unzulässig sind. Das hatte der Feuerwehr-Personalrat eingeklagt, nachdem der damalige Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) die Arbeitszeit 1999 auf 50 Stunden erhöht hatte, um den Abbau von 150 Stellen zu kompensieren. In Reaktion auf das EuGH-Urteil schafften Feuerwehrchef Klaus Maurer und Innensenator Udo Nagel (parteilos) nun das seit 41 Jahren bewährte Arbeitszeitmodell von 8-, 16- und 24-Stunden-Wechselschichten ab. Hierbei waren die Löschzüge besetzt und trotzdem für die Feuerwehrleute Freizeit und freie Wochenenden geregelt.

In der Konsequenz führt der neue Schichtplan zu weniger Freizeit für die Löscher, die aufgrund von Personalengpässen teilweise 72 Stunden am Stück arbeiten müssen. Um die Überstunden in Freizeit abzugelten, geht die Feuerwehrleitung nun dazu über, die Löschzugstärke „planerisch“ von 16 auf 12 Mann herunterzufahren. „Das geht massiv an die Sicherheit“, sagt der Insider. Im Ernstfall könnten „nicht alle notwendigen Tätigkeiten sofort durchführt werden“. Und es gebe mehr Unsicherheit: „Wenige Einsatzkräfte bedeutet auch weniger Sicherungstrupps“. Das Vertrauen in die Führung sei unter den Löschern „gänzlich verloren“.