LESERINNENBRIEFE
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Die richtigen Schritte

■ betr.: „Panik im Park“, taz vom 22. 11. 14

Herzlichen Dank an Stefan Reinecke für die Klarstellung. Legale Arbeitsmöglichkeiten und Entkriminalisierung sind auch aus meiner Sicht die richtigen Schritte, um die seit vielen Jahren an unterschiedlichen Orten zutage tretenden Folgen von verfehlter Einwanderungs- und Drogenpolitik wirksam zu verhindern. Was in letzter Zeit im Görlitzer Park zu beobachten ist, gab es vor ein paar Jahren ähnlich in der Hasenheide und wird es sicher auch an anderen Orten geben. Marktplätze werden nicht nur von den Händlern, sondern auch von den Käufern bestimmt.

Flüchtlingen und Immigranten, die nicht arbeiten dürfen und in die Kriminalität abgedrängt werden, oder dunkle Gestalten die „friedliche“ Spaziergänger belästigen? Mir selbst als Nichtkäufer geht das Angequatschtwerden auch auf den Geist, deshalb befürworte ich kurzfristige deeskalierende Maßnahmen. Aber eine dauerhafte Verbesserung ist davon kaum zu erwarten. MARTIN HOFFMANN, Berlin

Ganz spezieller Irrsinn

■ betr.: „Göttinger müssen nachts langsamer fahren“, taz vom 20. 11. 14

Was haben Amerikaner und Deutsche gemeinsam? Sie bestehen auf ihrem ganz speziellen Irrsinn. Nun ja, der übliche Amerikaner hat überhaupt kein Problem damit, mit Tempo 30 oder sogar langsamer durch die Stadt zu fahren – solange er dabei bis auf die Zähne bewaffnet sein darf. Der übliche Deutsche hat zwar keine Waffen dabei – will aber im Auto rasen, rasen, rasen. Da können 3.200 Menschen auf deutschen Straßen im Jahr 2013 sterben, da können unglaubliche 380.000 Menschen verletzt werden: Macht nichts. Gemeinsam mit dem ADAC ist die CDU strikt gegen Vernunft. Es muss aber aufhören, dass immer diejenigen sich dauernd rechtfertigen müssen, die auf Temporeduzierung setzen. Die Raserfreunde müssen endlich begründen, warum das Herumrasen für die Menschheit so unverzichtbar ist. Und da muss schon mehr kommen als: „Es macht Spaß“.

An reduzierter Geschwindigkeit führt kein Weg vorbei. Und alle Staaten dieser Welt wissen das auch, alle außer Deutschland.

UWE BARKOW, Frankfurt am Main

„Bleiben Se Mensch!“

■ betr.: „Weniger Rechte werden rechter“, „Brot für den Mülleimer“, taz vom 21. 11. 14

Schade, dass es so viel einfacher (vor allem einfacher zu handhaben!) ist, die Opfer der globalen und nationalen Krisen in Form von Asylsuchenden und Obdachlosen zu treten, als die Ursachen zu hinterfragen. Seltsam, dass viele Menschen sich lieber plakativ von christlichen Werten geprägt zeigen, als die simple Botschaft der Nächstenliebe zu leben, sinngemäß in weiteren Religionen und Weisheiten zu finden. Oder ganz pragmatisch à la Ruhri Tegtmeier: „Bleiben Se Mensch!“ Und wie wunderbar schließt sich das „Brot für den Mülleimer“-Thema an; es braucht nicht viel, um daraus „Brot für die Tafel“ zu machen. Die gibt es inzwischen überall – Logistik und guten Willen auch.

Ich habe einen Traum: die heteronormative Mama-Papa-Schweinebraten-Pseudo-Christen-Welt geht unter und macht Platz für vielfältige Menschlichkeit und Brot für alle! Und jetzt ist Schluss, sonst wird es noch gauckesk … PETRA GROSSE-STOLTENBERG, Hattingen

Gegen den Strich

■ betr.: „Der Gysi und das rote Tuch“, taz vom 18. 11. 14

Sehr geehrter Herr Reinecke, ich habe mich echt über Ihren Artikel geärgert! Ich bin weder Anhängerin der Linkspartei, noch bin ich in irgendeiner Form „antisemitisch“, ganz im Gegenteil, ich arbeite in einer grünen Stiftung und vertrete demokratische, antirassistische, tolerante Werte und liebe eine multikulturelle Gesellschaft, wo alle Menschen, gleich welcher Hautfarbe, Religion, Geschlecht etc., zusammen leben – das ist doch total klar!

Aber Sie spalten schon im Untertitel Ihres Artikels die Linkspartei in zwei Kategorien auf, wenn Sie von „Israelkritikern“ und „Reformern“ sprechen, als wären die „Israelkritiker“ längst von gestern. Dafür war das Ereignis mit Gysis „Verfolgung“ bis zur Toilette der beste boulevardistische Anlass für viele Medien, um die „Israelkritiker“ der Linken in die „Antisemitenecke“ zu drängen. Am meisten deutlich wurde das in Ihrem Artikel in den letzten Sätzen: „Ein Rücktritt von diesen Positionen wäre ein recht zartes Zeichen, dass provokative Israelkritik, von der sich die Linkspartei in ihrem Programm distanziert hat, nicht geduldet wird“ (…) „Und mehr noch, nach Gysis Basta-Erklärung, fürchtet Katina Schubert, wächst der Druck auf uns, die Debatte nicht weiterzuführen“. „Die Reformer fühlen sich, mal wieder, von Gysi im Stich gelassen.“ Damit beziehen Sie so eindeutig Position: Die bösen „Israelkritiker“ also gegen die guten „Reformer“, und Gysi hält den Deckel drauf.

Mir geht es nicht um Blumenthal oder einzelne linke Politiker/innen. Mir geht es darum, wie schnell Israelkritik tatsächlich mit Antisemitismus gleichgesetzt wird. Dass in Israel völkerrechtlich einiges sehr im Argen ist, sollten Sie als Journalist vielleicht mitbekommen haben. Die Grenzen von 1967 werden jeden Tag weiter überschritten und mit Siedlungen zugebaut. Es braucht doch nur normalen Menschenverstand, um zu erkennen, dass hier Unrecht geschieht! Mir geht dieses dämliche Gerede über die Israelkritiker = Antisemiten dermaßen gegen den Strich, wenn dabei die Realität völlig aus den Augen verloren wird. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

INKA BOSCH, Berlin