unterm strich
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Die Zahl der älteren Herren aus dem deutschen Geistesleben, die als junge, grade mal geschlechtsreife Burschen NSDAP-Mitglieder wurden, wird immer weiter nach oben korrigiert. Zugleich sinkt das Hysteriebarometer. Der Historiker Reinhard Rürup hat angesichts der Diskussion über die NSDAP-Mitgliedschaft der Autoren Martin Walser und Siegfried Lenz sowie des Kabarettisten Dieter Hildebrandt nun ein gern bemühtes Bild gebraucht: Das Ganze sei ein „Sturm im Wasserglas“. Der ehemalige wissenschaftliche Leiter des Berliner NS-Dokumentationszentrums verwies am Wochenende auf Pauschalerklärungen aus dem Jahre 1944, in denen Standortführer Gruppenanträge ganzer Hitlerjugendeinheiten weitergereicht hätten. „Es scheint, dass dies auch in den vorliegenden Fällen so gewesen ist“, sagte Rürup. Dafür spreche, dass es keine Unterschriften unter den Anträgen gebe.

Ein klarer Hinweis auf eine eingefädelte Mitgliedschaft sei außerdem das Symboldatum 20. April 1944, Hitlers Geburtstag. In vielen Fällen seien auch gar keine Mitgliedsbücher verschickt worden. Die neuen Enthüllungen seien demnach genauso wenig welche wie vor vier Jahren bei Walter Jens, Walter Höllerer und Peter Wapnewski. Auch diesen Autoren war vorgeworfen worden, als Mitglied der NSDAP registriert gewesen zu sein. Dieter Hildebrandt, der 1944 als Luftwaffenhelfer tätig war, sagte dazu, seine Mitgliedschaft sei ein Geschenk des Reichsjugendführers Axmann an den Führer gewesen, das seinen gesamten Jahrgang betroffen habe, „jedenfalls alle, die ehrwürdig waren“. Und das wiederum seien damals alle Luftwaffenhelfer gewesen. „Da stand man automatisch auf der Liste, musste also keinen Antrag stellen und nichts unterschreiben.“