POLEN IN DER EU: HART IM AUFTRITT, WEICH IN DER SACHE
: Schluss mit der Symbolpolitik

Die öffentliche Meinung in den letzten Tagen war eindeutig: Die größten Blockierer der EU sitzen in Warschau. Diese Einschätzung herrscht selbst jetzt noch vor, nachdem Großbritannien sich erneut eine Extrawurst erstritten hat, diesmal in Sachen Grundrechtecharta. Es ist der Ton, der die Musik macht, und der war in Polen am schrillsten.

Es war ein Kampf ums Prinzip und nicht um die Sache – die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP) hat festgestellt, dass angeblich integrationsfreundliche Staaten wie Deutschland, Österreich und Belgien in den letzten Jahren im Ministerrat häufiger gegen eine Entscheidung stimmten als Polen. Viel Lärm um nichts also?

Es wird das Geheimnis der Kaczyński-Zwillinge bleiben, warum sie mit derart markigen Worten um etwas gekämpft haben, wovon sie in der Vergangenheit kaum Gebrauch gemacht haben. Selbst wenn sie tatsächliche inhaltliche Einwände hatten, da die Mehrheitsentscheidungen künftig auf den Bereich der Innen- und Rechtspolitik ausgedehnt werden, ist ihr Kamikazekurs unverständlich. Weil sie wahlweise für Nizza oder die Quadratwurzel sterben wollten, haben sie sich selbst unnötigerweise das Blockade-Etikett angeheftet. Anders Tony Blair, der mindestens ebenso kompromisslos verhandelte – aber lächelnd.

Die Studie der SWP zeigt jedoch auch, dass die EU selbst schuld ist: Viel zu oft setzt sie auf Konsens. Selbst wenn eigentlich Mehrheitsentscheidungen möglich sind, erarbeitet sie am Ende doch Kompromisse. Auch beim Gipfel zog man es vor, das Mandat für die Regierungskonferenz einstimmig anzunehmen, obwohl dies gar nicht nötig war. Erst das Ergebnis der Regierungskonferenz muss einstimmig verabschiedet werden.

Wer inhaltliche Bedenken gegen einen Gesetzesvorschlag hat, soll dagegen stimmen dürfen – so wird sich schon heraus kristallisieren, was in Europa geht. Was definitiv nicht geht, ist die Blockade rein um der Blockade willen. Zu Beginn der portugiesischen Ratspräsidentschaft sollte sich Europa endlich wieder um die Sach- anstatt die Symbolpolitik kümmern. NICOLE MESSMER