OLIVER POLAK IN DER VOLKSBÜHNE UND OASIS IM KAFFEE BURGER: Besser feiern mit dem Party-Lektor
VON JURI STERNBURG
Wenn der Donnerstag schon zum Wochenende gehört und der Montag in manchen Clubs die besten Partys bietet, ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Dauerwochenende. Professionelle Partygänger legen die gesetzlichen Ruhetage einfach auf Dienstag und Mittwoch.
Wobei es durchaus kreative Möglichkeiten gibt, für etwas Abwechslung im Partyalltag zu sorgen, wenn man bereits zum Clubinventar gehört. So wurde vor wenigen Monaten im Hedonismus-Tempel „Sisyphos“ ein Besucher gesichtet, der sich einen einzelnen Rollschuh angezogen und beide Augen mit Gaffa-Tape überklebt hatte. So irrte er über den Hof und bat lautstark darum, an die Bar eskortiert zu werden. Löblicherweise bestellte er sich dort ein Leitungswasser.
Da es in der Stadt aber bekanntlich nicht nur von Technobässen durchtränkte Industriehallen gibt und es auf Dauer auch weder der Gesundheit noch der Spannung zuträglich ist, sich immer wieder die Nächte um die Ohren zu hauen, bietet es sich an, etwas gediegenere Veranstaltungen als Ruhephasen zwischen den Exzessen zu besuchen.
Daher starteten wir das „Wochenende“ also am Montag mit einem Besuch in der Volksbühne. Oliver Polak las dort aus seinem neuen Buch, „Der jüdische Patient“. Wie immer, in Jogginghose und Bomberjacke, aber nicht in Schweigen gehüllt, erschien er zu den Klängen einer Udo-Jürgens-Schmonzette auf der Bühne. Dieser letzte Satz, den Sie eben lasen, fiel mir ein, nachdem ich körperliche Schmerzen verspürte, als Polak die missglückte Passage „Mein Bildschirm strahlte, im Gegensatz zu meinem Gesicht“ aus seinem kurzweiligen und eigentlich empfehlenswerten Buch vortrug. Das ist natürlich die Aufgabe des Lektors, derartige Fehlgriffe, die immer mal vorkommen können, zu erkennen. Also Peace out, Polak.
Dennoch fiel es mir danach schwer, mich auf die Lesung zu konzentrieren. In Gedanken war ich woanders. Man bräuchte einen Party-Lektor, fuhr es mir durch den Kopf, also jemanden, der die kreativen Pläne verwaltet und zu einem sinnvollen Ablauf ordnet. So hätten wir uns zum Beispiel die anschließende Veranstaltung im Kaffee Burger sparen können, wo es „30 Jahre Interfilm“ hieß. Reichlich viel Gelaber und wenig Stimmung. Zwangsläufig erstanden wir im angrenzenden Späti eine Flasche Moskovskaja, bestellten drei Tonic an der Bar und standen kurz danach auf der Tanzfläche, um inbrünstig „Don’t look back in anger“ von Oasis anzustimmen. Highlight des Abend war die Erkenntnis, dass die Falafelbude am Rosa-Luxemburg-Platz eine beheizte Bank vor der Tür hat. Das könnte der Hotspot der kalten Jahreszeit werden.
Dienstag und Mittwoch wurden auf Geburtstagen verbracht. Pflichtveranstaltungen, da muss man eben hin, auch wenn man offiziell viel lieber den neuen Roman von Cornelia Funke lesen würde. Aber tja, leider wieder nichts, wie bei all ihren Romanen zuvor auch schon. Donnerstag, Freitag und Samstag waren dann nur noch Schonprogramm, denn das LineUp des HipHop-Festivals „InnenDrinnen“ mit Künstlern wie Mach One, Trailerpark oder dem empfehlenswerten Newcomer BRKN konnte aus Erfahrungsgründen im Stand-by-Modus mitgenommen werden. Da hätte man das Finale der Woche durchaus etwas bombastischer abschließen können, mit Eisskulpturen und Feuerspuckern oder so. Sollte also jemand von Ihnen Interesse an dem Beruf des Party-Lektors haben, wir zahlen in Gästelistenplätzen und Freidrinks.
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