Nah am Wasser gebaut

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das Café am Engelbecken setzt auf liebliche Stadtidylle: mit Container, ohne Servietten

Wenn in Kreuzberg die Palmblätter im Wind rascheln, sollte das nachdenklich stimmen. Meistens nämlich findet sich ganz in der Nähe ein Gastronom, der das dürftige Ambiente seines Lokals mit teuren Topfpflanzen aufmotzen will. Vor dem Café am Engelbecken stehen gleich zwei monströse Palmen. Eine Warnung?

Das Engelbecken, ein gerade wieder in Betrieb genommenes Wasserbassin mit Fontänen erinnert mehr an einen holländischen Center Parc als an eine stilvolle Grünanlage. Ein japanischer Tourist liegt am Wasser, trinkt Rotwein und blättert in seinem Lonely Planet Germany, am gegenüberliegendem Ufer werfen Jugendliche eine Plastikflaschen ins Wasser. Ja, Kreuzberg ist sehr vielseitig.

Zwischen diesen Fronten liegt das Café. Mehrere aneinander geschmiedete, schwedenrot gestrichene Container, davor ein hölzernes Sonnendeck auf dem elegante, aber leicht verdreckte Plastikstühle stehen. Nein, das Kurhaus von Travemünde ist das Café am Engelbecken nicht, auch wenn sich die Klientel zum Teil stark ähnelt. An einem gewöhnlichen Samstag bevölkern Fleecepulli-Träger mit Hüfttaschen die Tische im Gastraum, dazwischen sitzen Berliner Mittdreißiger. Diese Einheimischen kann man hier am penibel in Szene gesetzten Verwahrlosungsgrad erkennen. Wohl eher an Letztere wurde wohl bei der Einrichtung des Lokals gedacht. Von der braunen Brokattapete hätte man in den 90ern geglaubt, dass sie genau wie der Name Otto ausstirbt, seit den 2000ern aber gehört so etwas wieder zum Zubehör der urbanen Bohème.

Sitzt man im Sonnenschein beim beruhigenden Plätschern der Fontänen kann man dem Café am Engelbecken durchaus etwas abgewinnen. Leider viel zu schnell aber trübt sich dieses Bild. Der gute Rhabarber-Baiser-Kuchen wird ohne Serviette gebracht, auf Nachfrage bekommt man gnädig eine zugesteckt, aber nur mit dem Hinweis, man solle gut drauf aufpassen. Wahrscheinlich sind schon zu viele ins Wasser rein geweht, aber sollte da die Lösung nicht in Stoffservietten liegen, als in dieser pampigen Ermahnung? Die Tramezzini verdienen ihren Namen nicht. Zwar sind sie dreieckig, aber genau das, was in Studenten-WGs bei Budgetknappheit gegessen wird: Toastbrot aus dem Sandwichmaker. Der Salat mit Thunfisch ist hingegen ordentlich.

Irgendwann wird das Engelbecken wieder eine liebliche Idylle werden. Freilich liegt da die Idee nahe, hier ein Lokal zu eröffnen. An der Durchsetzung jedoch hapert es. Schade, so bleibt nur das Rauschen der Palmblätter.

Café am Engelbecken, Michaelkirchplatz/Engelbecken, 10179 Berlin, Tel.: (0 30) 28 37 68 16, www.cafe-am-engelbecken.de, Mo.–So. 10–24 Uhr, Cola 2 €, Bier 2,10 €, Latte macchiato 2,40 €, Tramezzini ab 3,10 €