ende eines jugendprojekts
: Implodierter Kosmos

An der „Minna Cauer Lounge“ in der Schöneberger Mansteinstraße sind die Rollladen heruntergelassen; das Transparent am alten Bauzaun, der etwas verloren auf dem Bürgersteig steht, ist zerfetzt, die Aufschrift „Kinder des Kosmos – keine Räumung“ verblasst. Auch der Holzwagen mit dem Schlagzeug, der noch vor wenigen Tagen mit trommelnden und laut singenden Jungen und Mädchen durch den Kulmer Kiez kreiste, ist verschwunden. Es ist ruhiger geworden in der Mansteinstraße, mitten in einem „sozialen Brennpunkt“ Schönebergs. Das Jugendprojekt „Kinder des Kosmos“ gibt es nicht mehr.

Anfang vergangener Woche wurde die „Minna Cauer Lounge“, die nach einer Berliner Frauenrechtlerin benannte Heimat der „Kinder des Kosmos“, geräumt. Computer, Nähmaschinen und Musikinstrumente aus der Ladenwohnung im Erdgeschoss wurden verschenkt, der Rest des Inventars ging auf den Müll. Fünf Jahre lang veranstaltete der Initiator des Projekts, Thilo Kiank, mit überwiegend aus Einwandererfamilien stammenden Kindern und Jugendlichen Computerkurse, drehte Filme oder spielte mit ihnen Fußball.

Es war ein erfolgreiches Projekt. Noch vor fünf Jahren sei der Spielplatz gegenüber ein Treffpunkt von Dealern und Junkies gewesen, sagt Kiank. „Dann kamen wir. Wir haben die Geschwister der Dealer von der Straße geholt, und die hatten dann Respekt vor unserer Arbeit. Jetzt gibt es da keine Dealer mehr“, berichtet der rotbärtige Mann mit der Baseballkappe.

In den ersten Jahren wurde die Initiative von der ebenfalls in der Mansteinstraße ansässigen Weinbrennerei Leydicke unterstützt. Auch die „Minna Cauer Lounge“ wurde von der Firma gemietet und Thilo Kiank und seinen Jugendlichen zur Verfügung gestellt. Doch vor einigen Monaten stellte Leydicke überraschend die Mietzahlungen ein. Kiank erfuhr schon im Januar davon: „Zuerst wollte ich es nicht wahrhaben. Und dann hab ich um die Räume gekämpft, ganz in alter Hausbesetzermanier.“ In den letzten Wochen habe er – unterstützt von Betreuern und Eltern – die Räume besetzt gehalten. Doch dann sei der Punkt gekommen, wo er nicht mehr weiterwusste. „Deshalb habe ich dem Inhaber der Firma Leydicke die Schlüssel zurückgegeben. Der war ja der Mieter.“ Eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch wollte er nicht riskieren.

Alle Versuche Kianks, die Firma dazu zu bewegen, ihm den Mietvertrag zu überlassen, scheiterten. Laut Kiank mit der Begründung, dass das bisherige Mietverhältnis zunächst abgeschlossen und die Schulden bezahlt sein müssten. Raimon Marquardt, der Inhaber der Firma Leydicke, verweigerte auf Anfrage jegliche Stellungnahme.

Die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, die die Räumlichkeiten verwaltet, darf sich aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zum Mietverhältnis mit der Firma „Leydicke“ äußern. Sie weist jedoch darauf hin, dass sie die Räume den „Kindern des Kosmos“ zur Verfügung stellen würde, sobald ein fester, gemeinnütziger Träger gefunden sei. Bisher sei dies jedoch nicht der Fall.

Doch an eine Rettung glauben die Mitarbeiter des Projekts nicht mehr. Ute Dolezal, eine der Betreuerinnen, sagt: „Nun ist es zu spät. Wir mussten hier raus. Vielleicht könnten wir in einem halben Jahr wieder rein, aber da fehlt uns einfach die Kraft, alles wieder aufzubauen.“

Ingmar Bertram, Tobias Goltz