Kassenärzte wollen Vorstand stürzen

Zwischen Fach- und Allgemeinmedizinern eskaliert der Streit um Einfluss – vor allem aber ums Geld

Wenn am Donnerstag die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) im Radisson-SAS-Hotel nahe dem Berliner Alexanderplatz zusammenkommt, wird es ungemütlich für die Vorsitzenden. Denn unter TOP 3, den aktuellen Anträgen, wird über ihre Zukunft entschieden. Zum ersten Mal in der Geschichte der KBV steht ein Antrag zur Abwahl des Vorstands auf der Tagesordnung. Damit eskaliert ein Streit, der die Kassenärzte seit langem spaltet: der Konflikt zwischen Haus- und Fachärzten – vor allem ums Geld.

In der KBV, dem Dach der bundesweit 17 Kassenärztlichen Vereinigungen, gilt der Vorstandsvorsitzende Andreas Köhler als Vertreter der Facharztinteressen, sein Vize Ulrich Weigeldt, der zuvor Chef des Hausärzteverbands war, als Mittelsmann der Allgemeinmediziner. Die beiden sollen völlig zerstritten sein. Das mag auch persönliche Gründe haben. Hintergrund aber ist ein Verteilungskampf um Honorare von jährlich insgesamt mehr als 22 Milliarden Euro.

Als in den 90er-Jahren die Kostendämpfung im Gesundheitswesen begann, blieb die Gesamtvergütung der Kassenmediziner erstmals hinter den zunehmenden Ärztezahlen zurück – die Zeit der stetig wachsenden Einkommen war vorbei. Die Hausärzte, in den KV-Entscheidungsgremien unterrepräsentiert, schnitten bei der internen Honorarverteilung schlecht ab: Derzeit liegt der durchschnittliche Umsatz eines Facharztes jährlich bei 208.000 Euro, der eines Hausarztes bei 171.000 Euro – ohne die Einkommen durch die Privatpatienten.

Seit Jahren laufen die Verbände der Hausärzte gegen diese Ungerechtigkeit Sturm. „Der Katzentisch im KV-System reicht uns nicht mehr“, wettert denn auch der Chef des Hausärzteverbandes, Rainer Kötzle, in seinem aktuellen Brief an die Mitglieder. Nach einer internen Umfrage fühlen sich 40 Prozent der Hausärzte von den KVen nicht gut vertreten. Für Kassenärzte gilt die Zwangsmitgliedschaft.

Konkreten Konfliktstoff bietet derzeit die Frage, wer für die Honorierung der Ärzte zuständig ist. Noch überweisen die Kassen die Honorare für die ambulanten ärztlichen Leistungen pauschal an die KVen, die nach undurchsichtigen Regeln das Geld an die Ärzte verteilen. Seit der Gesundheitsreform können auch die Verbände der Hausärzte Verträge mit den Kassen schließen. Die Monopolstellung der KV gerät in Gefahr.

Streit gibt es auch über die Höhe der Honorare für ambulante Leistungen. Die Gesundheitsreform bringt den Ärzten eine neue Gebührenordnung. Statt des unkalkulierbaren Punktesystems soll es künftig stärker pauschalierte Leistungen geben, die in Euro und Cent festgelegt werden. Die Hausärzte fordern 85 Euro pro Patient und Quartal mit Zuschlägen. Die Fachärzte in der KBV befürchten, dass dies zu ihren Lasten geht.

Man wolle die Honorarverhandlungen nicht länger „den Gremien überlassen, in denen die Fachärzte die Mehrheit haben“, protestiert Hausärztechef Kötzle dagegen in seinem Brief. Er fordert zumindest eine Herauslösung der Allgemeinmediziner im Honorarbereich: „Ansonsten wird das KV-System die innerärztlichen Konflikte nicht überleben.“

Eine Abspaltung der Hausärzte könnte der Anfang vom Ende der KVen sein. Kritiker wie den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach stört das nicht. Er hält das KV-System für überflüssig. „Die KVen haben – unter dem Schutz der Union – viele sinnvolle Reformen blockiert. “

Trotz seiner Attacken auf die KBV will Hausärztechef Kötzle die Abwahl des Vorstands nicht. Die Abwahl Weigeldts, so Kötzle, würde die Hausärzte in der KBV weiter schwächen.

Doch nicht alle Allgemeinmediziner teilen Kötzles Politik. Den Abwahlantrag für die Vertreterversammlung haben Fach- und Hausärzte unterzeichnet, sagt KBV-Sprecher Roland Stahl. Um die für eine Abwahl nötige Zweidrittelmehrheit zustande zu bekommen, reicht die Facharztmehrheit in dem Gremium nicht. Es müssten auch Allgemeinmediziner zustimmen. Unter den Ärzten gilt der Ausgang der Abstimmung als offen.SABINE AM ORDE