HAMBURGER SZENE VON PHILIPP WEBER: Slalom in der Schlange
Erst dachte ich, es sei ein großer Hund, der mich an der Kniekehle berührt. Dann sah ich ihn, den kleinen Jungen in seinen winzigen orangenen Stiefeln, nicht älter als fünf Jahre. Zwischen seiner asiatischen Mutter, den anderen Leuten und mir wuselte er in der Schlange herum – so als seien all die Beine Slalomstangen. Lang war sie, die Schlange, reichte bis an die Eingangstür der Postfiliale in Barmbek. Die meisten wollten wie ich ein Paket abholen oder eines aufgeben, möglichst schnell. Der Junge nicht.
Mit einer enormen Energie wälzte er sich zwischen den Beinen hindurch. Stets lächelnd, wenn ihn einer verdutzt anschaute. Dann entdeckte der Junge die Verkaufskörbe, die hoch über seinem Kopf schwebten, prall gefüllt. Erst steckte er die Finger durch die engen Schlitze des Gitters. Anfassen – mit einer unbändigen Neugierde, was dieser Büroschrott wohl alles sei. Auch an die hinteren Gegenstände im Korb wollte er.
Schließlich zog er, drückte er, wackelte er am Korb, der sich gefährlich in Richtung der Wartenden neigte. Da schreit es hinter mir – eine alte Frau mit Rollwägelchen: „Wo ist die Mutter? Ausländer können sich nie um ihre Kinder kümmern. Das gab es früher nicht!“ – „Früher, ja früher, da war alles besser, sogar die Zukunft!“, pflichtete ich der Dame bei und ging zum Schalter. Und der Junge: der grinste nur.
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