Nur die Weiden tragen Trauer

Jetzt hat auch der Gutachter der Bürgerinitiative seine Ergebnisse der Baumuntersuchungen am Landwehrkanal vorgestellt. Er empfiehlt, sechs Bäume zu fällen – darunter zwei Trauerweiden

Der Landwehrkanal – eine Bundeswasserstraße – wurde zwischen 1845 und 1850 gebaut, um die Spree als Transportweg zu entlasten. Er verbindet die obere Spree am Osthafen mit der unteren Spree und fließt durch Kreuzberg, Neukölln, Tiergarten und Charlottenburg. Bei Untersuchungen hat das Wasser- und Schifffahrtsamt teilweise massive Schäden am Ufer festgestellt. Seitdem streiten Bezirk, Amt und Bürger, wie diese saniert werden sollen.

VON VEIT MEDICK

Im Streit über die Bäume am Landwehrkanal liegt ein neuer Kompromissvorschlag auf dem Tisch. Auch der eigens vom „Aktionsbündnis Bäume am Landwehrkanal“ beauftragte Gutachter empfahl gestern, Bäume am Kreuzberger Ufer zu fällen – allerdings lediglich sechs.

Stimmt das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) diesem Vorschlag zu, könnte auch die Schifffahrt zwischen Urbanhafen und Oberschleuse wieder aufgenommen werden. „Das müssen wir jetzt schlucken“, sagte Bündnissprecher Arno Paulus der taz. „Da kann man wohl nichts machen.“

Bliebe es bei sechs Bäumen, die gefällt werden, sei das aber ein großer Erfolg für das Aktionsbündnis. Schließlich wollte das WSA erst 200, dann 41 Bäume abholzen, davon allein 16 in Kreuzberg. Ansonsten, so die Behörde, drohe die Ufermauer einzustürzen. Deshalb ist der Landwehrkanal seit knapp zwei Wochen auf rund elf Kilometern für die Schifffahrt gesperrt.

Treffen könnte es jetzt ausgerechnet die Trauerweiden, also jene Bäume, die auch im Winter grün sind und dem Panorama des Landwehrkanals ein „emotionales Moment“ verleihen, wie viele Kreuzberger BaumschützerInnen immer wieder betonen. „Da erholt sich täglich meine Seele“, schwärmte etwa die Aktivistin Ulrike Walter am Samstag nach der Bürgerversammlung im Rathaus. „Die bringen da Poesie und Liebe rein.“

Doch bei zwei Weiden an der Möckernbrücke ist der Pilzbefall einfach zu groß, ein Fällen unvermeidlich, heißt es in dem Gutachten der Initiative. Dies betrifft auch vier Pappeln am Maybachufer, von denen zwei „bei Sanierung nicht zu halten“ seien und zwei als „Gefahr für den Straßenverkehr“ gelten.

Die restlichen zehn vom WSA bestimmten Bäume – das ist ein zweites Ergebnis des Gutachtens – seien gesund und keine Belastung für die marode Uferbefestigung. Im Gegenteil: Durch ein intaktes Wurzelwerk sei „das Belastungsszenario verbessert“. Konkret heißt das: Gesunde Bäume wirken eher stabilisierend, als dass sie das Einbruchrisiko der Ufermauer erhöhen, wie vom WSA befürchtet. Auch die von der Behörde diagnostizierten Warnsymptome wie Bodenrisse und Aufwölbungen konnten nur in Einzelfällen bestätigt werden.

„Wir haben noch keine abschließende Einigung erzielt“, sagte Bündnis-Vertreter Oliver Dienstag der taz. Allerdings habe das Gutachten, das gestern um vier Uhr morgens fertiggestellt und keine fünf Stunden später im Bezirksausschuss präsentiert wurde, alle Anwesenden zum Nachdenken gebracht – auch die Vertreter des WSA.

Entscheidend könnte ein Vogelschutz-Argument im Gutachtens sein. Westlich des Urbanhafens befindet sich offenbar ein Habichthabitat. Größere Eingriffe in den dortigen Baumbestand seien daher „sehr problematisch“, warnt das Gutachten. Eine Auslichtung könnte die Habichte für lange Zeit vertreiben. Um eine einvernehmliche Lösung zu finden, schlug Aktivist Oliver Dienstag ein Gespräch zwischen den Gutachtern der Initiative und des WSA vor. Nur ein „interdisziplinärer Austausch“ könne letztlich den Konflikt aufheben, glaubt er.

Schon heute könnte eine Einigung für die Kreuzberger Bäume erzielt werden. Um neun Uhr treffen sich wieder die Vertreter von WSA, Bürgerinitiative und Bezirk. Dann, so Oliver Dienstag, steht ein weiteres Kapitel des Baumstreits auf der Tagesordnung: „Die nächste große Etappe betrifft die Kastanien am Kanal in Mitte“, sagt Dienstag. Dort sei aber auch der entsprechende Bezirk gefragt.