Hamas erreicht Freilassung von Reporter

Der britische Journalist Alan Johnston ist nach 114 Tagen Geiselhaft im Gazastreifen wieder frei. Die Islamisten hoffen nun auf ein Ende des westlichen Boykotts. Auch im Fall des entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit gibt es Kontakte

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Alan Johnston ist frei. Der vor vier Monaten im Gazastreifen entführte BBC-Reporter wurde am Mittwoch in den frühen Morgenstunden von seinen Entführern an Sicherheitssleute der islamistischen Hamas übergeben. „Zuerst dachte ich, dass sie mich wieder in ein neuen Versteck bringen wollten“, berichtete der von Erleichterung und Freude überwältigte Johnston, als er im Haus von Expremierminister Ismail Hanijeh (Hamas) Journalisten Frage und Antwort stand.

„So, wie der Fall von Alan Johnston endete, hoffen wir, dass auch der Fall des israelischen Soldaten Gilad Schalit zu einem Ende kommen wird“, meinte Hanijeh im Verlauf der Pressekonferenz. Hamas wartet auf Antwort der Regierung in Jerusalem, die aus einer Liste von tausend Namen mehrere hundert für die Amnestie vorgesehene Häftlinge heraussuchen soll.

Während der 114 Tage währenden Gefangenschaft fühlte sich Johnston „wie lebendig begraben“. Die Abgeschnittenheit von der Welt und die wiederholten Bedrohungen seines Lebens hätten ihn unter „großen psychologischen Druck“ gesetzt. Manchmal habe er „von der Freiheit geträumt“ und sei dann doch wieder „in diesem Zimmer aufgewacht“. Die Entführer hätten ihm erst in den letzten 24 Stunden seiner Gefangenschaft Hände und Füße zusammengebunden und ihn geschlagen.

Bewegung in die Geiselaffäre kam vor knapp drei Wochen mit dem militärischen Sieg der Hamas im Gazastreifen. Die Hamas-Führung hatte unmittelbar nach den Kämpfen mit Fatah-Sicherheitskräften den Druck auf die Entführer verschärft. Johnston selbst berichtete gestern, dass „die Kidnapper sehr ruhig und selbstsicher agierten, bis klar wurde, dass die Hamas die Kontrolle übernimmt“. Von seinem Versteck aus konnte der Reporter die Straßenschlachten aus der Nähe verfolgen.

„Es war die größte Geschichte, seit ich nach Gaza gekommen bin“, meinte er nach seiner Befreiung, „und ich konnte kein einziges Wort darüber berichten.“ Johnston war bis zu seiner Entführung drei Jahre lang im Gazastreifen tätig gewesen.

„Gaza ist sicher, Gaza ist sauber, Gaza ist grün [Farbe der Hamas-Flagge]“, kommentierte Achmad Jussef, ein enger Berater Hanijehs, die Befreiung, die die Hamas nun auf ein verändertes Image vor allem in der westlichen Welt hoffen lässt. Die Geiselaffäre war auch Teil des Machtkampfes zwischen Hamas und Fatah. Ein Sprecher der Hamas hatte noch vergangene Woche den ehemaligen Sicherheitschef im Gazastreifen Mohammad Dahlan (Fatah) beschuldigt, einer Lösung Hindernisse in den Weg zu werfen, weil er der Hamas den politischen Erfolg missgönne.

Die Fatah reagierte entsprechend zögerlich auf die Freilassung. „Wir sehen uns einen Spielfilm an, in dem die Verbrecher miteinander in Streit geraten und einer von beiden vorgibt, der Tapfere und Anständige zu sein, während er die Schuld dem anderen zuschiebt“, kommentierte Jassir Abbed Rabbo (Fatah), früherer Informationsminister. Die Befreiung sei ein „inszeniertes Schauspiel“ gewesen, das darauf ausgerichtet sei, „der Welt die Hamas als eine Bewegung zu präsentieren, die Recht und Ordnung repräsentiert“.

Immerhin gelang der Hamas, woran die Fatah über Wochen scheiterte. „Es war ein komplizierter Prozess“, erklärte Hamas-Sprecher Ghazi Hamad gegenüber der BBC. „Wir wollten die Geiselaffäre schnell beenden.“ Die Hamas-Führung habe den Entführern klargemacht, dass sie notfalls mit Gewalt vorgehen würde. Derart unter Druck geraten, veröffentlichten die Entführer vor zehn Tagen ein Video, das Johnston mit einem Sprengstoffgürtel zeigte. Sie drohten damit, den Sprengstoff zu zünden, sollten sie angegriffen werden.

Am vergangenen Montag kam es schließlich zu Verhaftungen von Mitgliedern der für die Entführung verantwortlichen „Armee des Dschihad“. Sicherheitsleute der Hamas umstellten das Haus, in dem Johnston festgehalten wurde, bis es zu der Einigung über einen Gefangenenhandel kam. Ein Lösegeld ist angeblich nicht gezahlt worden. „Ich hoffe, dass unsere Botschaft in der Welt verstanden wird“, fügte der Sprecher der Bewegung hinzu. „Die Hamas kämpft nicht gegen Christen oder gegen den Westen, sondern gegen die Besatzung.“ Ghazi Hamad hofft nun darauf, dass „die Welt ihre Tore öffnen wird“ und das Gespräch mit der Hamas nicht länger verweigert.