Turn the beat around

PROJEKTRAUM Die N.K.-Plattform bietet Raum für Musik und Sound Art, indem jenseits des Markts kollektiv experimentiert wird. Als Verstärker kann bei Workshops alles dienen – Hauptsache, es ist zylinderförmig

Das N.K., bekannt durch Festivals wie Berlin Atonal, CTM und Transmediale, veranstaltet Workshops, Konzerte und Lesungen, in denen sich Musikschaffende und Künstler_innen über Themen wie Synaesthesie, grafischen Sound und Open Source, Software wie SuperCollider und Pure Data austauschen können. Die Projekträume beherbergen außerdem Tonstudios und die beiden Labels Downwards und Blackest Ever Black. In den nächsten Tagen: Am Freitag Workshop „Ghost Detector / Static Charge Detector“ mit Andy Bolus 15 bis 19.30 Uhr. Plätze begrenzt, um Anmeldung per E-Mail wird gebeten unter: info@nkprojekt.de Am Samstag: Konzert mit Evil Moisture, (SIC), Martins Rokis und Ultraspießer. Konzertbeginn um 21.30 Uhr (Einlass um 20 Uhr).

■ N.K.-Plattform: Elsenstr. 52, 2. Hinterhaus, Etage 2, Tel.: (0176) 20 62 63 86: www.nkprojekt.de

VON NOEMI MOLITOR

Vor ein paar Jahren projizierte Apple einen Haufen weißer, tanzender Silhouetten vor Neonhintergrund auf Berliner Plakatwände, um Werbung für ihre mp3-Player zu machen. Ästhetisch ansprechend sollte das aussehen, die Marke ikonografisch mit den weißen Knopfkopfhörern verknüpfen, doch letztlich wirkten die Figuren zu clean, zu berechenbar, zu steif.

Am Freitag dürften ganz andere Gestalten, die an Kopfhörern kleben, in Neukölln erscheinen – ausgestattet mit Wiedergabesystemen, die ganz und gar nicht vorhersehbar sind. Denn das N.K.-Projekt, internationale Plattform für Sound Art und experimentelle Musik, hat den audiovisuellen Künstler Andy Bolus eingeladen, um vorzuführen wie man „Geisterdetektoren“ baut. Die kleinen drahtbasierten Maschinen, die hier entstehen werden, können per Antenne statische Aufladungen empfangen und elektromagnetische Felder aufspüren.

Der Workshop ist für Musiker_innen, Künstler_innen und Neugierige ohne Vorerfahrung offen. Berührungsängste mit organischem Material könnten allerdings zum Problem werden. Bolus, der selbst gern mal Fleischstücke als Verstärker einsetzt, empfiehlt Objekte von persönlicher Bedeutung mitzubringen: Ob Knochen oder Sex Toy, Hauptsache, sie sind Zylinderförmig und können zur Drahtspule umfunktioniert werden. Per eingebautem Chip können die gesammelten Daten dann in einen Verstärker oder Computer eingespeist werden. Am Ende werden die Ergebnisse der „Ghost Walks“, Spaziergänge, auf denen die Teilnehmenden „Geisterspuren“ bzw. Anomalien in den elektromagnetischen Feldern einfangen sollen, gemeinsam auf dem hauseigenen Soundsystem des N.K. angehört.

Die Bandbreite der an die hundert Workshops, die bereits über die N.K.-Plattform angeboten wurden, ist weitreichend: Viktorianische Synthesizer wurden gebaut, Jodeltechniken für den Noise-Kontext nutzbar gemacht, und der Künstler und Philosoph Jost Muxfeldt stellte seine Theorien transmedialer Raumkonzepte zur Disposition. Auch rituelle Musik spielt eine Rolle: Im Dezember wird Nikolas Schreck buddhistische Gesangsrituale vorstellen und erklären, warum er die Produktion von Tönen als Magie versteht.

Als Sound Künstlerin Farahnaz Hatam und Gitarrist Julian Percy das Projekt vor siebeneinhalb Jahren gründeten, war es ihnen wichtig, einen subkulturellen Raum für Musik und Sound zu schaffen, der nicht marktorientiert, sondern nach künstlerischen Kriterien arbeitet.

Viktorianische Synthesizer wurden gebaut, Jodeltechniken nutzbar gemacht

Industrial, Noise, Computermusik, Glitch, aber auch experimentelle Formen von Rock ’n’ Roll und Klassik: Die Konzerte, die hier stattfinden, bewegen sich im weiten Feld experimenteller Musikproduktion, sei sie digital, instrumental oder an der Schnittstelle verschiedener Genres verortet. Dass zum Teil Mammutveranstaltungen wie letztes Jahr das „Eye for an Ear Festival“ hier stattfinden, die die 200-Personen-Kapazität des Raums sprengen, ermöglicht, dass auch Mini-Events mit 10 Personen stattfinden können.

Tatsächlich steht der Austausch zwischen Student_innen, Künstler_innen, Musik- und Tonmacher_innen, die auch das Gros des Publikums bilden, im Vordergrund. Inoffiziell nach Konzerten an der Bar oder über das Workshop- und Vortragsprogramm, das N.K. hat sich als Raum etabliert, in dem Forschungsprozesse und Techniken, miteinander geteilt werden. Da jedes Konzert für die Künstler_innen archiviert wird, haben Bands wie Vagina Dentata und Aidan Baker ihre Auftritte als Live-Alben herausgebracht.

Die Macher_innen selbst nehmen sich sehr zurück, Percy, Hatam und auch der Drummer/Komponist Colin Hacklander, Kodirektor des Projekts, arbeiten alle ohne Bezahlung und erlauben sich selbst nur ein Konzert pro Jahr im N.K. Diesen Samstag tritt Percy als Teil der Band Ultraspießer auf, daneben die Programmierband Martins Rokis aus Riga, Evil Moisture von Andy Bolus und das mexikanische Vokalistenduo (SIC), bestehend aus dem Stimmenimprovisierer Rodrigo Ambiz und Julian Bonequi, der auch gern mal auf Spielzeugdrums spielt. Unter viel versprechenden Titeln wie „die Stille testen“ hören sich ihre Auftritte so an, wie man sich den „Geisterdetektor“ vorstellt: kehliges Gurgeln und Stimmfetzten, die klingen, als würden sie aus tiefen Katakomben entsteigen. Was (SIC) machen, klingt nach orakelartiger Glossolalie, dem schnellen, unverständlichen Sprechen, das eine Trance herbeiführen soll. Wie das vor sich geht, lässt sich live am besten nachvollziehen.