Keine Anklage nach tödlichen Schüssen

ERMITTLUNGEN Gegen den Rentner, der als Opfer eines Raubüberfalls in Sittensen einen jugendlichen Täter erschossen hatte, wird keine Anklage wegen Totschlags erhoben. Notwehr, sagt die Staatsanwaltschaft

Der Rentner habe lediglich seinen Besitz verteidigt, sagt die Staatsanwaltschaft

Am 13. Dezember 2010 wurde der Rentner Ernst B. in seiner Villa im niedersächsischen Sittensen von fünf jungen Männern überfallen. Als der Alarm losging, flohen die Täter in Panik über die Terrasse nach draußen. Der 77-jährige Ernst B., Jäger und Besitzer mehrerer Waffen, griff nach einer Pistole und schoss den Fliehenden hinterher. Den 16-jährigen Labinot S. traf er an der Halsschlagader, er verblutete innerhalb weniger Minuten. Nun hat die zuständige Staatsanwaltschaft in Stade das Ermittlungsverfahren gegen Ernst B. wegen Verdachts des Totschlags eingestellt. Er habe aus Notwehr gehandelt, heißt es.

„Ernst B. hat lediglich seinen Besitz verteidigt“, sagt Kai Thomas Breas, Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz. „Da er den Fliehenden nicht hinterherrennen konnte, durfte er schießen.“ Ernst B. lief zu der Zeit wegen eines Knieproblems auf Krücken. Bei dem getöteten Labinot S. wurde nach der Tat ein Geldbeutel mit mehr als 2.000 Euro gefunden.

Breas geht davon aus, dass der Rentner bei dem Überfall mit einer Waffe bedroht worden ist. Wer von den Tätern sie in der Hand hatte, sei für die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht entscheidend gewesen. Der Vermutung, dass der getötete Labinot S. zum Zeitpunkt der Schießerei eine Gaspistole in der Hand gehabt haben soll, widerspricht ein Fasergutachten.

Dass Ernst B. zu einer Pistole gegriffen hatte, die nicht im Waffenschrank lag, wie es das Waffengesetz verlangt, sei laut Breas kein Straftatbestand. Die Waffe hatte Ernst B. monatelang griffbereit liegen, aus Angst vor einem Überfall.

Die übrigen vier Männer wurden bereits vor zwei Wochen wegen räuberischer Erpressung und Körperverletzung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Eine 21-jährige Frau, die die Bande zu dem Raub angestiftet hatte, erhielt eine Bewährungsstrafe. Die Familie des getöteten Jungen und ihre Anwälte streben nun ein Klageerzwingungsverfahren an. EMILIA SMECHOWSKI