Schalke 05

CHAMPIONS LEAGUE Gewogen und für zu leicht befunden: Nicht zum ersten Mal werden die Schalker in der Eliteliga überrollt. Diesmal darf Chelsea den Part des Dominators spielen

Sieg, Niederlage, Sieg, Niederlage, Sieg, Niederlage, Sieg: Schalkes Bilanz zuletzt in der Bundesliga

AUS GELSENKIRCHEN JOHANNES KOPP

Für José Mourinho war es scheinbar ein perfekter Abend. Sein Statement zum Spiel geriet zu einer Laudatio. Man wähnte sich auf einer Preisverleihung, als der Trainer vom FC Chelsea im Anzug mit blauen Hemd und blau gestreifter Krawatte seine Eloge hielt: „Das Team war fantastisch. Von der ersten bis zur letzten Minute.“ Sehr beeindruckt sei er gewesen. Und nicht einen Fehler habe er zu beanstanden. Mourinho verstand es gar, mit seinem Verweis auf den Verlierer dem eigenen Team noch mehr Glanz zu verleihen. „Schalke ist vielleicht traurig. Aber man muss das zusammen hinnehmen, wenn man gegen eine solch bessere Mannschaft verliert.“

Doch mit Blick auf die Zuhörerschaft befielen den 51-Jährigen auf einmal Zweifel, irgendjemand könnte seine Würdigung des 5:0-Erfolgs auf Schalke, seine Geschichte vom perfekten Spiel, schmälern wollen: „Ich kenne die Medien. Ihr werdet sagen, Schalke war nicht gut und hat viele Fehler gemacht. Heute wäre es aber auch für andere Teams gegen uns schwer geworden.“

Mourinho hatte zweifellos recht. Sein Team zeigte famosen Fußball, spielte mit Kalkül und dennoch großer Grazie. Cesc Fabregas, Oscar, Eden Hazard und Willian kombinierten sich mit Kurzpassstaffetten und ständigen Positionswechseln durch die Schalker Reihen. Urplötzlich wurde dann ein Ball lang und präzise auf Stoßstürmer Diego Costa gespielt. Zu berechnen war dieser Gegner nur schwer.

Mourinhos Kollege Roberto Di Matteo war es dann aber, der die Erzählung vom perfekten Spiel nachhaltig störte und auf die Fehler zu sprechen kam, welche die einseitige Begegnung begünstigt hatten. Zwar gab auch der Schalker Coach zu bedenken, dass Chelsea, sein altes Team, eines seiner besten Spiele in dieser Saison gemacht habe, aber ihm waren vielmehr eklatante Missstände seiner eigenen Elf ins Auge gestochen. „Wir waren nicht aggressiv genug, haben zu wenig Zweikämpfe gewonnen und Chelsea zu viel Raum gelassen.“

Bereits nach zwei Minuten demonstrierte John Terry nach einem Eckball von Fabregas Chelseas größere Entschlossenheit. Mit diesem Führungstreffer schienen die Weichen für dieses Spiel schon gestellt zu sein. Als Fabregas in der 44. Minute wieder eine Ecke trat, ging die Abwehr zwar endlich einmal beherzt zum Ball. Die Folge war allerdings ein Eigentor durch Jan Kirchhoff, der bei seinem Kopfballtreffer zum 3:0 nur von seinen eigenen Mitspielern bedrängt wurde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar: Die Schalker würden an diesem Abend den Glauben an sich nicht wiederfinden.

Di Matteos Vorwurf der fehlenden Aggressivität wiegt schwer. Immerhin ging es um den Einzug ins Champions-League-Achtelfinale, den man nun im letzten Spiel nicht mehr aus eigener Kraft schaffen kann. Man ist auf Hilfe von Chelsea angewiesen. Ob er angesichts der Verzagtheit seiner Mannschaft nicht Emotionen wie Ärger, Zorn oder Wut empfinde, wurde der Schalker Trainer gefragt. Die Zuschauer in der Arena waren ja bitter enttäuscht aus der Arena geflüchtet. „Glücklich bin ich nicht. Ich bin überrascht“, antwortete der polyglotte Di Matteo im besten Diplomatendeutsch. Nach dem Erfolg am Samstag gegen Wolfsburg habe er den Eindruck gehabt, die Mannschaft habe Selbstvertrauen aufgebaut.

Auch wenn der Italiener ungern sein Inneres nach außen kehrt, es war dennoch spürbar, wie schwer ihn die Niederlage gegen seinen alten Klub im Magen lag: „Heute ist das schwer zu analysieren. Morgen wird das besser sein.“

Dabei ist das Rätsel, das die Schalker Mannschaft ihrem Trainer aufgibt, nicht neu. Es reicht über seine Amtszeit, die Anfang Oktober begann, weit hinaus. Selbstvertrauen wird auf Schalke Spiel für Spiel auf- und sofort wieder abgebaut. Die Bundesligabilanz der letzten sieben Begegnungen spricht für sich: Sieg, Niederlage, Sieg, Niederlage, Sieg, Niederlage, Sieg.

Ob es José Mourinho gefällt oder nicht: Ein derart schwankendes Team wie Schalke taugt nicht als Gegner, bei dem große europäische Teams wie Chelsea ihre wahre Leistungsstärke testen können. Zumal es den Königsblauen in der Champions League eh an Klasse fehlt. In der Arena auf Schalke sahen in den vergangenen Jahren auch Real Madrid (6:1) und Manchester United (2:0) verdammt gut aus. „Morgen ist ein anderer Tag“, tröstete Mourinho die gebeutelten Schalker. Dass man diese Erfahrung hier zu Genüge gemacht hat, wusste er offenbar nicht. Mit Schrecken denkt man in Gelsenkirchen schon an übermorgen, an das Spiel gegen Mainz.