„Es ist ein Performance-Problem“

THÜRINGEN Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) warnt vor zu großen Steuerversprechen und fordert ihre Kollegen in Berlin auf: erst denken, dann debattieren

■ Die 53-jährige evangelische Theologin ist seit Herbst 2009 Ministerpräsidentin von Thüringen. Die CDU-Politikerin führt eine Koalition mit der SPD an. Sie ist außerdem seit 2009 Landesvorsitzende ihrer Partei.

INTERVIEW STEFFI DOBMEIER

taz: Frau Lieberknecht, in Thüringen läuft es ja ganz gut. Die SPD ist zufrieden mit Ihnen …

Christine Lieberknecht: … und wir eigentlich auch mit der SPD.

Wäre eine große Koalition eine Alternative zu dem Gemurkse von Schwarz-Gelb im Bund?

Das Wort Gemurkse teile ich überhaupt nicht. Ich finde, dass die Koalition alle Erwartungen übertroffen hat.

Am Thema Steuern zerreibt sich die Regierungskoalition.

Es gibt ein Performance-Problem. Die Kollegen lassen sich zu viel auf Debatten ein, ohne sie in der Gesamtchoreografie durchdacht zu haben. In der Steuerdebatte werden Stichworte öffentlich gesetzt, ohne dass sie inhaltlich untersetzt sind. Solange es kein klares Konzept gibt, etwa darüber, um welches Steuervolumen es gehen soll, werden Sie immer einen mehrstimmigen Chor haben.

Haben Sie eine Idee, wie die Steuerdebatte ausgehen wird?

Es gibt die Vereinbarung zu Entlastungen, die allerdings nicht sehr groß sein werden. Es geht um etwa 80 Euro Entlastung für eine vierköpfige Familie pro Jahr, wenn man die aktuellen Zahlen als Basis nimmt. Das ist nicht viel. Deshalb sind viele Bürger so verunsichert. Genau das ist das Problem: Die Politik hat große Worte in die Welt gesetzt und kann sie jetzt nicht ganz halten. Wenn man nur die kalte Progression hätte abschaffen wollen – das hätte man auch als einen mehr oder weniger technischen Vorgang an eines der Jahressteuergesetze anhängen können. Dazu hätte es diese ganze Aufregung nicht gebraucht.

Wie stehen Sie zu Steuerentlastungen?

Wir haben in Thüringen die klare Vereinbarung, dass wir keiner Steuerentlastung zustimmen, die zulasten des Landes geht. Zur Gesamtbetrachtung gehört aber auch, dass es Steuern gibt, die zuerst das Land belasten, später aber viel Geld in die Landeskasse spülen. Zum Beispiel das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Zu Beginn war ich dagegen, aber jetzt sehe ich beim Wirtschaftswachstum, dass wir ein Mehrfaches an Steuereinnahmen in den Landeskassen haben, als wir ursprünglich eingebüßt hatten.

Wird sich die Bundesregierung an dem Thema aufreiben?

Nein, die Kollegen werden auch wieder in der Realpolitik ankommen.

Baden-Württemberg plant einen neuen Vorstoß einer doppelten Staatsbürgerschaft. Für eine Mehrheit von SPD und Grünen reicht es im Bundesrat nicht – Baden-Württemberg braucht also Hilfe, auch von Thüringen.

Es gibt ein ganz reguläres Verfahren. Baden-Württemberg wird diesen Antrag einbringen, er geht anschließend ganz regulär in die Ausschüsse – dann werden wir uns das in Thüringen anschauen.

Und zu welchem Ergebnis werden Sie wohl kommen?

Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Der Antrag kam, als wir in Thüringen schon in der Sommerpause waren, wir haben noch nicht darüber gesprochen im Kabinett.

Also ein Sommerlochthema von Grün-Rot in Stuttgart?

Na ja, zumindest ist es so, dass das Kabinett in Baden-Württemberg getagt hat, als wir in Thüringen schon Urlaub hatten. Damit haben die Kollegen in Stuttgart sehr große Aufmerksamkeit für sich erhalten. Das war wohl von den Antragstellern so gewollt.