Besser mit Lehrern rechnen

In Zukunft soll bereits im Frühjahr feststehen, wie viel Lehrer eine Schule nach den Sommerferien braucht. So sollen Nachwuchslehrer in der Stadt gehalten werden und Schulen besser planen können

VON ALKE WIERTH

Jedes Jahr kurz vor den Sommerferien wird es an Berliner Schulen noch mal richtig stressig. Nicht nur, weil Zeugnisse, Nachprüfungen und Versetzungskonferenzen die alltägliche Arbeit vermehren. Auch die Vorbereitungen für das nächste Schuljahr wollen getroffen werden – und dabei herrschen in Berlin bislang erschwerte Bedingungen. In kaum einem anderen Bundesland dauert es so lange, bis die Behörden den Lehrerbedarf jeder einzelnen Schule für das neue Schuljahr ermittelt haben.

Das führt alljährlich zu Problemen: SchulleiterInnen können bislang oft nur provisorische Stundenpläne für das Schuljahr machen – weil sie schlicht nicht genau wissen, wie viele Lehrer mit welchen Fächern tatsächlich zur Verfügung stehen werden. Auch ist es schwierig, neue Stellen, die oft erst im Laufe der Sommerferien bewilligt werden, noch zu besetzen. Denn gerade Nachwuchslehrkräfte, die ihr Examen in der Regel im Frühjahr machen, sind dann häufig längst in andere Bundesländer abgewandert.

Das soll nun anders werden. Gestern stellte die von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) einberufene Arbeitsgruppe „Lehrerzuweisung“ ihre in sechs Sitzungen erarbeiteten Empfehlungen vor. Die Vorschläge der Expertengruppe, die aus Vertretern von Verwaltung, Schulen und Eltern sowie dem Essener Bildungsforscher Klaus Klemm bestand, lassen sich in zwei Hauptpunkten zusammenfassen: mehr Tempo in der Verwaltung und mehr Eigenständigkeit für die Schulen.

Nicht erst kurz vor der Sommerpause, sondern schon im Februar sollen demnach künftig die Prognosen über die Schülerzahlen und damit den Lehrerbedarf an den einzelnen Schulen feststehen. Neueinstellungen könnten dann bereits im März und April vorgenommen werden. Es sei „die erste Pflicht der Schulverwaltung, die optimale Lehrerversorgung der Schulen rechtzeitig und effizient zu organisieren“, sagte Zöllner gestern. Er werde die Umsetzung dieses Vorschlags deshalb mit Wirkung zum Schuljahr 2008/2009 angehen.

Dagegen hat selbst die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nichts einzuwenden: Die Lösungsvorschläge seinen „im Prinzip sinnvoll“, sagte GEW-Sprecher Peter Sinram. Sie erhöhten die Chance, Nachwuchslehrer in Berlin zu halten, und verbesserten die Planungssicherheit von Schulen. „Der Haken ist die Ungenauigkeit der Zahlen“, so Sinram. Es sei fraglich, ob sich der Finanzsenator auf Grundlage der früher ermittelten und deshalb unsicheren Schülerzahlen zu Lehrereinstellungen bewegen lasse.

Auch Bildungspolitikerin Mieke Senftleben von der FPD gefallen Zöllners Pläne: „Das entspricht exakt einem Antrag, den wir bereits im Februar gestellt haben.“ Spannender findet sie, welcher der Vorschläge der Arbeitsgruppe sich Zöllner zunächst nicht annehmen will: Die Experten hatten angeregt, langfristig auch eine komplette Selbstständigkeit der Schulen bei der Verwendung ihres Personaletats auszuprobieren. Außerdem solle, so ein weiterer AG-Vorschlag, über neue Aufteilungsmodelle bei der Arbeitszeit von Lehrern nachgedacht werden. Diese Vorschläge hatte Zöllner als „im Ansatz sehr sympathisch“ bezeichnet. Sie müssten jedoch „in aller Ruhe geprüft werden“.

Senftlebens grüner Kollege Özcan Mutlu wundert sich darüber, „warum der Senator bei diesen Vorschlägen so zaghaft ist“. Die Vorschläge der Arbeitsgruppe seien zu begrüßen, Zöllner müsse aber auch heikle Fragen wie die Arbeitszeit von Lehrern zügig angehen. „Aber da fürchtet er wohl den Widerstand von Lehrern und Gewerkschaften“, so Mutlu.