Ferienkollektiv

Auf der Suche nach der neuen Jugend des Ostens

TEXT & FOTOS FRANK ROTHE

Ich wollte eigentlich nie nach Russland, allein schon wegen des Drucks, mit dem wir in der Schule gegen unseren Willen Russisch lernen mussten. Deswegen war ich auch so erstaunt, als ich mit zwölf meinen Namen auf der Teilnehmerliste für das sowjetische Pionierlager „Artek“ auf der Insel Krim fand. Eigentlich kamen nur die Besten der früheren Pionierorganisation der DDR darauf. Um es kurz zu machen: Ich wurde wieder gestrichen.

Sieben Jahre später, auf einer Weltreise, verschlug es mich dann doch nach Moskau. Das war 1992 – genau zu der Zeit, als eine kleine Revolution stattfand. Panzer fuhren auf den Straßen, und es wurde geschossen. Ich beobachtete alles und entschied, Russisch zu studieren. Für meine letzten fünfzehn Dollar kaufte ich eine Schwarzmarktfahrkarte nach Berlin.

Vor drei Jahren begann ich mein Projekt „Running Through The Wind“, ein zeitgeschichtliches Dokument. Nach all den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der letzten anderthalb Jahrzehnte wollte ich gern die jüngere Generation der früheren Sowjetunion kennen lernen. Ich wählte dazu das Ferienlager „Artek“, in das ich damals hätte fahren sollen, aus. Noch heute verbringen jeden Sommer tausende Kinder und Jugendliche ihre Ferien in Artek.

Ich fuhr hin und fand dort genau das, wonach ich suchte: die neue Generation des Ostens. In meinen Interviews stellte ich fest, dass sich die junge Generation nicht sehr verändert hat, sie spricht nur nicht mehr über Politik. Der größte Unterschied zu den Kindern und Jugendlichen im Westen ist wohl, dass sie ihre Identität kaum über äußere Symbole ausdrücken und generell ruhiger wirken.

FRANK ROTHE, Jahrgang 1972, lebt und arbeitet als freier Fotograf in Berlin. Seine Fotodokumentation „Running Through The Wind“ ist noch bis zum 14. Juli in der Galerie Antje Wachs in Berlin ausgestellt. Das gleichnamige Buch ist im Caillou Verlag (70 Seiten, 35 Euro) erschienen