Gegenwind von allen Seiten

Emily Ruete, gebürtig Salme Prinzessin von Oman und Sansibar, führte im 19. Jahrhundert ein hartes Leben zwischen den Kulturen. Nun bekommt sie im Garten der Frauen einen Erinnerungsstein

von Klaus Irler

„Der Mensch ist zu einem großen Teil nur das, was Leben, Erfahrung und die gebietenden Verhältnisse aus ihm machen: ich verließ meine Heimat als vollkommene Araberin und als gute Mohammedanerin und was bin ich heute? Eine schlechte Christin und etwas mehr als eine halbe Deutsche!“ (Emily Ruete)

Salme Prinzessin von Oman und Sansibar hätte es einfach haben können. In der sinnlichen Gelassenheit von Sansibar hätte sie den Reichtum ihres Vaters, des Sultans, genießen können, am Strand, auf den fünfundvierzig Plantagen der Familie, in ihrem luftigen Zimmer im Sultanspalast. Das alles Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Deutschen noch nicht als Kolonialisten, sondern als Kaufmänner auf der Insel auftraten. Aber Prinzessin Salme machte etwas anderes aus ihrem Leben, etwas, das mit vielen Hürden und Rückschlägen zu tun hat.

Aus der privilegierten Sultans-Tochter wurde eine Frau, die einen Großteil ihres Lebens für ihre Rechte zu kämpfen hatte. Aus Salme Prinzessin von Oman und Sansibar nämlich wurde durch eine Liebesheirat im Jahr 1867 die Hamburgerin Emily Ruete. Nun steht ihr Grabstein auf dem Ohlsdorfer Friedhof und diesen Sonntag bekommt Ruete einen Erinnerungsstein im Garten der Frauen. Der befindet sich ebenfalls auf dem Ohlsdorfer Friedhof und erinnert an Frauen, die wegen ihrer Religion, Weltanschauung, Behinderung oder ihres Geschlechts diskriminiert wurden. Mit dem Gedenkstein für Emily Ruete will der Verein Garten der Frauen ein Zeichen setzen für die Chancengleichheit von Zuwanderinnen.

Dabei ist es nicht so, dass es Emily Ruete nur in Deutschland schwer gehabt hätte. Angeeckt ist sie schon in Sansibar, und zwar weil sie sich dort als Kind selbst Lesen und Schreiben beibringt – für Mädchen war insbesondere das Schreiben nicht vorgesehen. Außerdem bringt ihr ihr Halbbruder Reiten und Schießen bei. Und dann ist da noch der Hamburger Kaufmann Heinrich Ruete, der im Auftrag einer Reederei auf Sansibar zu tun hat: Salme trifft sich heimlich mit ihm und wird schwanger. Eine Hochzeit mit einem Christen aber gestattet die Familie nicht. Also fliehen die beiden und Salme entbindet ihr erstes Kind, der nur wenige Monate alt wird. Salme lässt sich taufen, nimmt den Namen Emily an und beginnt nach der Heirat im Mai 1867 ein neues Leben als Emily Ruete in Hamburg.

Dabei ist das Leben in Hamburg keineswegs unangenehm: „Diskriminierung im Sinne von Rassismus – das kann für ihre Hamburger Zeit als Ehefrau nicht sagen“ findet der Autor Julius Waldschmidt, der über Emily Ruete das Buch „Kaiser, Kanzler und Prinzessin. Ein Frauenschicksal zwischen Orient und Okzident“ geschrieben hat. „Es war sicher ungewöhnlich, wenn die beiden an der Alster spazieren gegangen sind. Aber sie wurde nicht als unangenehme Frau wahrgenommen.“ Emily und Heinrich bekommen in Hamburg drei Kinder. Nach nur dreijähriger Ehe wird Heinrich von einer Straßenbahn überfahren – und ist tot.

Von da an wird es ernsthaft hart für Emily: Die deutschen Behörden verweigern ihr das Erbe: Das geltende Recht bestimmte, „die Witwe unter Vormundschaft zu stellen und im Fall Ruete sogar die Personen- und Vermögensfürsorge auszuüben.“ Staatsangehörige des Deutschen Reiches wurde Emily erst 12 Jahre nach dem Tod ihres Ehemanns.

Also versucht Emily, ihre finanziellen Ansprüche an ihre Verwandten in Sansibar geltend zu machen: Die Besitzungen, die sie dort von ihrem Vater geerbt hatte, waren zwischenzeitlich enteignet worden.

Emily wandte sich mit ihrem Anliegen an Reichskanzler Bismarck. Der kam auf die Idee, sich für Emilys Anliegen stark zu machen, um seiner kolonialen Interessen wegen einen Fuß nach Sansibar zu bekommen. Emily sollte in Begleitung deutscher Beamter nach Sansibar reisen – und sollte der deutschen Staatsbürgerin etwas zustoßen, wäre das ein Vorwand, um die Insel zu beschießen. Doch es läuft anders: Emily bekommt nichts von ihren Verwandten auf Sansibar – und nachdem die kolonialen Besitzverhältnisse im Helgoland-Sansibar-Vertrag geregelt wurden, interessieren sich die deutschen Politiker nicht mehr für sie.

Was Emily Ruete bleibt, das sind ihre Einkünfte als Arabischlehrerin und aus ihren Buchveröffentlichungen: Die „Memoiren einer arabischen Prinzessin“ werden ein Publikumserfolg – und die erste Autobiographie einer Araberin in der Literaturgeschichte.

Nach verschiedenen Reisen in den Nahen Osten verstirbt Emily Ruete 1924 im Alter von 79 Jahren in Jena und wird am Ohlsdorfer Friedhof neben ihrem Ehemann begraben. Auf dem Grabstein steht: Der ist in tiefster Seele treu, Wer die Heimat liebt wie du. Ruete selbst schrieb über einen ihrer Besuche auf Sansibar zum Thema Heimat: „Was konnte ich bei deren magischem Anblick anders tun, als dem Allmächtigen danken für seine große Güte!“

Einweihung des Erinnerungssteins: Sonntag, 8.7., 14 bis 17 Uhr, Garten der Frauen, auf dem Ohlsdorfer Friedhof Nähe der Kapelle 10