Theater gegen den Muff

Ausnahmsweise ist die Schanze Austragungsort für ein Theaterevent. Diese Woche startet die zweite Auflage des Kaltstart-Festivals. Eine Woche lang zeigen junge darstellende Künstler ihre Produktionen und tauschen sich aus

Im vergangenen Sommer haben sich die OrganisatorInnen des Kaltstart-Festivals in Hamburg schon warm gelaufen. Jetzt gastieren sie zum zweiten Mal in der Schanze. Geht es nach den Veranstaltern, soll das Kulturhaus Dreiundsiebzig von seiner Monopolstellung in der spärlich besetzten Theaterszene im Stadtteil profitieren. „Wir wollen auch ein Publikum erreichen, das sonst nicht die etablierten Theater besucht“, sagt Organisator Gero Vierhoff. Der Festivalcharakter der Veranstaltungsreihe sorgt für die nötige Kuzweiligkeit im Partyviertel: Fällt ein Vorhang, öffnet sich schnell der nächste.

Die Produktionen, die in der nächsten Woche zu sehen sein werden, zeigen ein Potpourri aus Bühnenkunst zwischen Theater, Tanz, Live-Hörspiel und Musik. Es gehe nicht um Zwänge oder Konkurrenzdenken, sagt die Berliner Schauspielerin Eva-Maria Baumeister aus dem sechsköpfigen Organisationskommitee. Dem Künstlernachwuchs aus Deutschland und der Schweiz soll zwischen den Spielzeiten der großen Theater eine eigene Bühne geschaffen werden. Sieben Tage lang, 27-mal. Elitärer Theatermuff soll sich gar nicht erst entfalten können. Nach vielen Produktionen laden die Macher zu Diskussionen ein.

Regisseur Maximilian Merker präsentiert mit „Tristan_a cocktail called love“ seine Bearbeitung des 800 Jahre alten Versromans von Gottfried von Straßburg. Die Darstellungsweise Merkels beschreibt dabei bereits einen Querschnitt durch das Theaterprogramm. Sein „Tristan“ basiert auf Tanz, Pantomime, Schauspiel und Tonaufnahmen. Julia Hölscher vom Schauspiel Hannover bringt Mikael Niemis Erfolgsbuch „Populärmusik aus Vittula“ auf die Bühne. Holger Bühlow spielt darin Matti, der in den 70er Jahren im nordschwedischen Kaff Vittulajänkka aufwächst und in der tristen Abgelegenheit eine Rock’n’Roll-Band gründet. Matthias Huhn vom Berliner Maxim Gorki-Theater zeigt in „Diamantenleben“ vier Personen in einer glänzenden Parallelwelt, die nur dann Glück verheißt, wenn die Wünsche der Figuren in bekannte Schablonen passen. Die Darsteller Ingolf Müller-Beck und Frank Wiegard spielten bereits an der Berliner Volksbühne und im Wiener Burgtheater.

Für musikalische Untermalung sorgen Jörg Koslowsky und Stefan Ruppe aka „Gimmick“ und Kristina „La Kruttke“. Außerdem spielt das Duo „Gemischte Gefühle“ aus Hildesheim halbelektronisch auf Casio SA-21-Keyboard und einer Gitarre seine Lieblingsschlager.

Die Veranstaltungsreihe ist ein Theatertreffen reinster Güte – von und für Theatermacher. Künstler von den Nebenbühnen großer Stadttheater prägen das Programm. „Überwiegend Leute, die gerade auf dem Sprung sind“, sagt Vierhuff. Er möchte eine Plattform für Regisseure, Assistenten und Schauspieler einrichten, die ihr Diplom in der Tasche haben und in der freien Szene Fuß fassen wollen. Die Talente können sich gegenseitig inspirieren, denn das Festival soll auch dieses Jahr wieder Netzwerke spinnen. Ein Anspruch, der auch in der neuen Kategorie „Werkraum“ kulminiert. In diesem Rahmen erarbeiteten Regieassistenten, Studenten und Schauspieler zwanzigminütige Szenen. Ansätze und Arbeitsprozesse stehen deshalb im Fokus der taufrischen Produktionen. Die günstige Tageskarte lädt die BesucherIn ein, dabei den ganzen Weg mitzugehen.

CHRISTOPH NEETHEN

Mo, 9. 7. – So, 15. 7., Kulturhaus Dreiundsiebzig, Schulterblatt 73; Infos und Programm unter www.kaltstart-hamburg.de