Unterstützung für Opfer

Nein, ein Helfersyndrom habe sie nicht, sagt Sabine Christiansen. Den Kindern und Jugendlichen in ihrer Beratung möchte die Psychologin hilfreich sein, aber nicht deren Retterin: „Meine Aufgabe ist, Unterstützung anzubieten.“

Die 45-Jährige arbeitet beim Verein Allerleirauh in Hamburg, berät dort junge Mädchen zwischen 13 und 27 Jahren, die Opfer von sexuellen Übergriffen und Missbrauch geworden sind. Die meisten davon in der „Kernfamilie“, sagt Christiansen: durch Väter und Stiefväter, Brüder, Onkel.

Zwischen 160 und 180 Menschen jährlich melden sich bei dem Verein, der dieser Tage 25 Jahre alt wird. Sabine Christiansen ist seit 18 Jahren dabei. Von Allerleirauh hat sie damals durch eine Anzeige erfahren – in der taz. Heute hat sie dort neben ihrer privaten Praxis eine halbe Stelle. Mehr, sagt sie, wäre schwierig. Trotzdem: Keineswegs sei die Arbeit immer nur deprimierend. „Jede Betroffene hat Stärken.“ Diese gelte es gemeinsam herauszufinden und den Mädchen dadurch mehr Handlungsmöglichkeiten zu verschaffen.

Neben der konkreten Beratung der Opfer macht Allerleirauh auch Präventionsarbeit an Schulen, bildet Lehrer, Kindergärtner oder Sozialarbeiter weiter, damit sie sexuellen Missbrauch erkennen und damit umzugehen lernen. „Heute müssen Jugendhilfeeinrichtungen Schutzkonzepte entwickeln, das hat uns einen großen Schritt vorangebracht“, sagt Christiansen, die sich schon im Studium mit sexuellem Missbrauch beschäftigte. Der werde heute deutlich häufiger angezeigt, Betroffene wie auch Fachkräfte suchten sich Hilfe. „Das Thema wird nicht mehr so skandalisiert, sondern versachlicht.“ Das helfe den Opfern sehr.

Für Allerleirauh bedeute das mehr Arbeit – ohne dass die staatlichen Fördergelder mit gewachsen wären. Gern würde der Verein aus den zu klein gewordenen Räumen ausziehen. „Die Arbeit ist frustrierend“, sagt Christiansen, „wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen.“  REA