DAS WIRD DER MONAT, DER WIRD (12)
: Win-Win in Kölle

VORSCHAU Heute mit abgesprochenen Golfsiegen, mehreren seltsamen Silvesterläufen, Kampfgockeln in der Primera División und dem unglaublichen Gerücht, es könne eine Fußball-WM in der Wüste geben

Dortmund, 1. Dezember. Der innovative Abstiegskandidat BVB präsentiert den Marco-Reus-Adventskalender „Täglich eine andere Verletzung“. Versprochen werden „OP-Bilder in vorweihnachtlicher Stimmung, Krückenmodelle zum Basteln, schmackhafte Schokosehnen und Nougatknorpel“. Die Fans freuen sich: „Echt lecker. Dat isset.“ Geschäftsführer Joachim Watzke: „Alle Erlöse gehen in ein neues Rehazentrum allein für Marco Reus. Als börsennotiertes Unternehmen haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber unseren Angestellten.“

Frankfurt, 4. Dezember. Die Versammlung der Fußball-Profiklubs lehnt die Torlinientechnologie erneut ab. Gründe werden nicht bekannt. „Es gibt auch keine“, sagt ein Szenekenner, „außer wabernder Nostalgie mit selbstgeißelndem Wembleyanertum“.

Sun City, 7. Dezember. In Südafrika beginnt heute die Saison 2015 der Profigolfer. Nach Stechen gegen den Engländer Lee Westwood gewinnt der Mettmanner Martin Kaymer und streicht 1,5 Millionen der 6,5 Millionen Dollar Siegprämie ein. Angeblich war es ein harter Wettkampf: „Ich bin Sportler!“, beteuert Kaymer. Hintergrund: 2000, als das Event noch sozialhilfehaft „One-Million-Dollar-Turnier“ hieß, hatte der einheimische Ernie Els triumphiert, ebenfalls im Stechen gegen Westwood, aber nach Absprache mit dem Konkurrenten. „You win, we share the money“, hatte Westwood schelmisch vorgeschlagen – und Els hatte eingewilligt.

Madrid, 9. Dezember. Pfauen werden gelb vor Neid, Kampfhähne erröten vor Scham: Reals Werbemarke CR7 plustert sich nach seinen vier Toren gegen Ludogorez Rasgrad (5:0) und dem Status als neuer Rekordtorjäger der Champions League (75 Treffer) adrenalingepeitscht noch weiter auf als sonst. „Ich bin der größte Immertreffer“, haucht der sonst so schüchterne Portugiese der Weltpresse entgegen.

Barcelona, 10. Dezember. Lionel Messi kontert Cristiano Ronaldos Praecox-Jubelergüsse mit seinen zwei Toren beim 3:1 gegen Paris St. Germain locker aus. Der Nochimmerertreffer ist damit bei 76 Toren.

Aachen 14. Dezember. Gut eine Stunde länger als sonst warten die ratlosen Veranstalter des 52. Aachener Winterlaufs auf die ersten Zielläufer. Niemand taucht auf – bis zum plötzlichen zweitausendfachen Massenfinish. Bei Eiswind hatten sich die meisten Läufer um die lodernde Fackel der 15 Teilnehmer des Friedenslaufs „Flame for Peace“ versammelt, um sich an deren Feuer zu wärmen. „Damit ist unsere Friedensbewegung die erfolgreichste seit Jahrzehnten“, jubeln die gemeinschaftlichen Sieger.

Wolfsburg/Schalke, 22. Dezember. Nach dem Wolfsburger Neuzugang Xizhe Zhang verpflichten auch andere Bundesligateams reihenweise Chinesen, um sie sich, wie das Poesieheft Kicker jahressicher dichtet, „unter den Weihnachtsbaum zu legen“. Schalke 04 meldet sogar die Verpflichtung des gesamten Bambini-Nationalkaders als Ersatz für seine marode erste Mannschaft. Von einem Chinesen, so ein Liga-Insider, der auch nur einmal in der Nachspielzeit eingewechselt werde, „bestellen verzückte Fans in der Heimat augenblicklich Trikots containerweise dahin, wo sie hergestellt wurden. Das ist echtes Win-Win.“

Köln, 23. Dezember. Lukas Podolski fragt per Twitter, ob der Win-Win jetzt beim FC spielt. Dort ist man ohnehin raderdoll: Die bajuwarische Originallederhose von Trainer Peter Stöger zum Karnevalsauftakt am 11. 11. (damals mit 11 Punkten und 11:11 Toren) sei „ein jroßes Signal jewesen“ (Express), um die „Vorherrschaft des FC Bayern ein für allemoal zu breschen“.

Zürich, 31. Dezember. Die Verwirrung ist groß, als Hunderte Aktive vergeblich den Start des 38. Zürcher Silvesterlaufs suchen. Einheimische lachen; „exgüsi“, sagen sie, aber „das Jogging-Eventli“ sei doch traditionell am 14. 12. gestartet. Niemand versteht die angeblich langsame Schweiz und diese Logik! Kurz vor Mitternacht erscheinen am Horizont die ersten Finisher.

Berlin/Rio, 31. Dezember. Das innovative Zürich wird zum Vorbild: Die Neujahrsansprache wird es 2015 schon im Juli geben, Krippen zu Ostern, das Zuckerfest zu Beginn des Ramadans, den letzten Bundesligaspieltag zuerst und Elfmeterschießen ab sofort immer vor einem Match. Und 2016 findet der Silvesterlauf von Sao Paulo sommers in Rio statt (Olympia). Kulturpessimisten höhnen: „Wenn das so weitergeht, gibt es bald auch noch eine Fußball-WM in der Wüste.“

BERND MÜLLENDER